Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kerstin Celina, Patrick Friedl, Paul Knoblach der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 04.01.2019
inklusive
Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 04.02.2019 [kursiv dargestellt]
Schutz des Feldhamsters in Bayern
Der Feldhamster ist eine europaweit gefährdete Art und genießt deshalb den Schutz der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie, 92/43/EWG). In Bayern steht der Feldhamster als „vom Aussterben bedroht“ auf der Roten Liste der gefährdeten Säugetiere. Trotz eines seit 2002 laufenden Feldhamster-Hilfsprogramms ist es nicht gelungen, den Rückgang der Art aufzuhalten. Ursachen für die Gefährdung des Feldhamsters sind die intensive landwirtschaftliche Nutzung mit ihren großflächigen Äckern, geringen Fruchtfolgen und immer schwereren Maschinen. Daneben spielen die starke Zunahme des Flächenverbrauchs und die Zerschneidung der Lebensräume eine Rolle. Frankreich wurde im Jahr 2011 vom Europäischen Gerichtshof wegen unzureichender Schutzmaßnahmen für den Feldhamster verurteilt (Az.: C-383/09).
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Staatsregierung:
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- Wie will die Staatsregierung ihr Feldhamstermanagement in den nächsten Jahren verbessern, um endlich stabile Feldhamsterpopulationen zu erreichen?
Die Staatsregierung ist bestrebt, weitere Maßnahmen für die Erhaltung des Feldhamsters in Bayern zu entwickeln. Die Regierung von Unterfranken hat dafür die „Zusammenstellung der unterfränkischen Daten zum Vorkommen des Feldhamsters (bis2017/2018)“ in Auftrag gegeben und im Oktober 2018 einen Workshop durchgeführt. Auf dieser Grundlage sollen in den nächsten Monaten weitere Schritte erarbeitet undmit Fachleuten sowie allen betroffenen Institutionen abgestimmt werden. - Wie hat sich die Population des Feldhamsters in den einzelnen Landkreisen seines Vorkommens in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte für die Landkreise getrennt aufführen)?
Die aktuelle Verbreitung des Feldhamsters in Bayern beschränkt sich auf die Landkreise Kitzingen, Schweinfurt, Main-Spessart und Würzburg sowie Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. Die Populationsdichten sind gegenüber früher stark zurückgegangen und das Verbreitungsgebiet ist nicht mehr kontinuierlich besiedelt. Obwohl es im unterfränkischen Areal noch recht stabile Teilpopulationen gibt, wurde der kurzfristige Trend in der Roten Liste Säugetiere 2017 genauso wie der langfristige als deutlich rückläufig eingestuft. Im Auftrag der Regierung von Unterfranken werden derzeit alle verfügbaren Daten über Vorkommen des Feldhamsters in Bayern ausgewertet. Dabei hat sich bereits gezeigt, dass die Informationsdichte für verschiedene Teilbereiche des Verbreitungsgebiets sehr unterschiedlich ist. Bei vielen Kartierungen wurden nur gefundene Baue verzeichnet, aber keine Negativnachweise. Zudem fehlen Angaben zur genauen Abgrenzung des Untersuchungsgebiets. Für die einzelnen Landkreise sind deswegen keine Schätzungen der Bestandsgrößen vor etwa zehn Jahren möglich. Auch aktuelle Bestandsschätzungen, die im Rahmen der laufenden Analysen angestrebt werden, sind wegen der heterogenen Datenlage sehr schwierig. - Wo wird in Bayern die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) genannte überlebensfähige Mindestpopulation mit 1.500 Tieren bei 600 Hektar (ha) zusammenhängendes Vorkommen mit günstigen Bodeneigenschaften erreicht?
Die Vorgabe des EuGH kann wegen der natürlichen Bestandsschwankungen des Feldhamsters nur als Richtwert verstanden werden. Nach einer vorläufigen Analyse der unterfränkischen Daten zum Vorkommen des Feldhamsters gibt es im Regierungsbezirk Unterfranken mindestens sechs zusammenhängende Gebiete mit einem aktuellen Hamsterbestand von mehr als 1.500 Tieren. Die Gebiete sind alle deutlich größer als 600 Hektar.
- Wie will die Staatsregierung ihr Feldhamstermanagement in den nächsten Jahren verbessern, um endlich stabile Feldhamsterpopulationen zu erreichen?
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- Plant die Staatsregierung – ähnlich wie im Elsass – ein Wiederansiedelungsprojekt?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wenn ja, in Zusammenarbeit mit welchem Träger?
Die Artenschutzbemühungen der Staatsregierung konzentrieren sich derzeit auf die Erhaltung der noch vorhandenen Populationen.
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- Welche Forschungsprogramme bzw. Evaluationen wurden in Bayern in den letzten zehn Jahren durch die Staatsregierung (mit)finanziert?
In den letzten zehn Jahren wurden die folgenden Forschungsvorhaben und Evaluationen von der Staatsregierung gefördert:- „Evaluierung und Konkretisierung von Methoden zur Vermeidung und Kompensationvon Eingriffen und zur Förderung von Feldhamster-Populationen“ (2007 bis 2011) – Abschlussbericht des DBU-Projekts (DBU = Deutsche Bundesstiftung Umwelt)(Träger: Landesbund für Vogelschutz e.V.) unter https://www.dbu.de/projekt_24593/01_db_1036.html
- „Blühflächen als ein Beitrag zum Feldhamsterschutz (Cricetus cricetus) in Unterfranken“ (2012 bis 2013) – im Rahmen des Projekts „Evaluierung und Optimierung von KULAP-A 36 – Agrarökologische Ackernutzung und Blühflächen – zur Verbesserungder Wildlebensräume und zur Steigerung der Biodiversität in Bayern“ unter https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/schriftenreihe/faunistische-evaluierung_bluehflaechen_lfl-schriftenreihe-1-2014.pdf.
- Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse und die daraus abgeleiteten Maßnahmen zum Schutz der Feldhamster haben sich daraus ergeben?
Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Studien waren:- Für Feldhamster geeignete Typen von Durchlässen unter Straßen werden zumindest in der Erntezeit regelmäßig von den Tieren genutzt. Solche Querungshilfen können also einer genetischen Isolation von kleinen Hamstervorkommen infolge von künstlich errichteten Barrieren entgegenwirken.
- Ausgleichsflächen, die dem Feldhamster besonders günstige Lebensbedingungen bieten, können die durch ein Eingriffsvorhaben verursachten Beeinträchtigungen einer Population ausgleichen.
- Für die Erhaltung des Feldhamsters ist in der Agrarlandschaft eine Streuung möglichst vieler Flächen, die den Tieren bis zum Beginn ihrer Winterruhe Nahrung und Deckung bieten, förderlich.
- Angelegte Blühflächen des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramms (KULAP) bieten ein Habitat für Winterbaue und können somit zum Hamsterschutz beitragen. Eine optimale Blühfläche, die die Wahrscheinlichkeit des Feldhamstervorkommens erhöht, sollte einen geringen Anteil an Gräsern, dafür einen hohen Anteil an Kräutern und eine lückige Vegetationsdichte aufweisen.
- Angelegte Blühflächen des KULAP werden vom Feldhamster überdurchschnittlich gern angenommen. So wurden auf angelegten Blühflächen stets mehr Bauten pro Hektar gezählt als in den umliegenden Ackerflächen.
- Welche Forschungsprogramme bzw. Evaluationen wurden in Bayern in den letzten zehn Jahren durch die Staatsregierung (mit)finanziert?
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- Werden zum Schutz des Feldhamsters in seinen Vorkommensgebieten Einschränkungen der Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln nach § 13 Pflanzenschutzgesetz angeordnet?
Nein, nicht erforderlich; siehe hierzu Antwort zu Frage 4 c. - Falls ja, in welchen Landkreisen (bitte den Umfang angeben)?
Entfällt. - Falls nein, warum nicht?
Die Anforderungen des § 13 Abs. 2 Satz 3 und 4 Pflanzenschutzgesetz werden bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt erfolgt, berücksichtigt. Ziel ist es, dass bei sachgerechter Anwendung keine Risiken für Mensch, Tier und Naturhaushalt zu befürchten sind. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln unterliegt strengen Vorschriften.
Um einer etwaigen Verschlechterung durch einen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu begegnen, verfügt das BVL im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zum Schutz des Feldhamsters bei Rodentiziden die bußgeldbewehrte Anwendungsbestimmung NT 820: Keine Anwendung in Vorkommensgebieten des Feldhamsters sowie der Haselmaus, Birkenmaus und Bayerischen Kleinwühlmaus.
Sofern es dafür berechtigte Gründe gibt, kann das BVL auch weitere Pflanzenschutzmittel mit dieser Anwendungsbestimmung – auch während der Laufzeit einer Pflanzenschutzmittelzulassung – belegen, sodass hier im Bereich des Pflanzenschutzes kein weiterer Regelungsbedarf besteht.
- Werden zum Schutz des Feldhamsters in seinen Vorkommensgebieten Einschränkungen der Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln nach § 13 Pflanzenschutzgesetz angeordnet?
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- Bis wann will die Staatsregierung eine Stabilisierung der Feldhamsterpopulation erreichen?
Die Europäische Union hat 2011 die Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020 beschlossen. Sie enthält u.a. das Ziel, den Erhaltungszustand aller unter das europäische Naturschutzrecht fallenden Arten deutlich zu verbessern. Dies gilt auch für den Feldhamster, der im Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU steht. Zudem sind die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 FFH-Richtlinie verpflichtet, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen. Darüber hinaus verfolgt der Freistaat Ziele des Umweltschutzes im Rahmen der Bayerischen Biodiversitätsstrategie. - Wie will die Staatsregierung Quellpopulationen in Schwerpunktgebieten dauerhaft sichern?
Die in den nächsten Jahren umzusetzenden Artenhilfsmaßnahmen für den Feldhamster und deren Priorisierung werden in den nächsten Monaten erarbeitet und abgestimmt.
- Bis wann will die Staatsregierung eine Stabilisierung der Feldhamsterpopulation erreichen?
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- Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass Maßnahmen im Zusammenhang mit Eingriffen in Feldhamsterlebensräume (Ausgleichsmaßnahmen, Umsiedlungen) grundsätzlich im gleichen Gebiet mit gleichem Flächenumfang unter Festlegung einer Zielgröße dauerhaft realisiert werden, die Sicherstellung einer Feldhamsterfördernden Bewirtschaftung beachtet und ein Monitoring durchgeführt wird?
Feldhamster sind aufgrund ihrer Listung in Anhang IV der FFH-Richtlinie nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b Doppelbuchst. aa und Nr. 14 Buchst. b BNatSchG besonders und streng geschützt. Es finden daher die gesetzlich geregelten Zugriffsverbote gemäß § 44 BNatSchG Anwendung. Die Realisierung eines Vorhabens i. S. d. § 44 Abs. 5 BNatSchG bedarf einer fachgutachterlich begründeten speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP). Im Verwaltungsverfahren können erforderliche Vermeidungs- und vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Diese sind funktionsgerecht auf die konkret betroffenen Gebiete zu beziehen.
Bestandteil der saP ist weiterhin die Prüfung und ggf. Festlegung von Maßnahmen zur Erfolgskontrolle der festgelegten Ausgleichsmaßnahmen (Monitoring). - Wie beurteilt die Staatsregierung die Pläne, Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Feldhamsterlebensräume nicht durch Flächenerwerb, sondern durch Anpacht vorzunehmen?
- Wie ist im Falle einer Pacht ein dauerhafter Ausgleich sicherzustellen, wenn sowohl eine Kündigung als auch eine massive Pachterhöhung durch den Flächeneigentümer nicht ausgeschlossen werden kann?
Für die Erhaltung einer Feldhamsterpopulation, die durch einen Eingriff beeinträchtigt wird, ist die langfristige Sicherstellung geeigneter Flächen als zusammenhängender Lebensraum für eine Population in der bisherigen Größe erforderlich. Welche Ausgleichsmaßnahmen und welches Sicherungsinstrument dies gewährleisten können, muss im Einzelfall entschieden werden.
- Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass Maßnahmen im Zusammenhang mit Eingriffen in Feldhamsterlebensräume (Ausgleichsmaßnahmen, Umsiedlungen) grundsätzlich im gleichen Gebiet mit gleichem Flächenumfang unter Festlegung einer Zielgröße dauerhaft realisiert werden, die Sicherstellung einer Feldhamsterfördernden Bewirtschaftung beachtet und ein Monitoring durchgeführt wird?
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- Wird die Staatsregierung nach 16 Jahren Feldhamster-Hilfsprogramm, mit dem es nicht gelungen ist, die Population des Feldhamsters zu stabilisieren, Maßnahmen des Gebietsschutzes oder Bewirtschaftungsauflagen gemäß § 44 Abs. 4 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ergreifen?
Vergleiche Antwort zu Frage 5b. - Wie viele Hektar Ausgleichsflächen oder Ökokontoflächen für den Feldhamster sind in Besitz der öffentlichen Hand (bitte für die Landkreise getrennt ausweisen)?
Im Ökoflächenkataster (ÖFK) werden Ökokonten zur Bevorratung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, Ausgleichs- und Ersatzflächen, Ankaufsflächen und sonstige Flächen geführt.
Maßnahmen, die aus rein artenschutzrechtlichen Gründen erfolgt sind, werden nicht im ÖFK erfasst. Dazu besteht keine rechtliche Verpflichtung (Art. 9 Bayerisches Naturschutzgesetz – BayNatSchG).
Im Einzelfall kann es sein, dass Maßnahmen für den Feldhamster, die aus artenschutzrechtlichen Gründen durchgeführt werden, multifunktional als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen anerkannt werden. Das wird jedoch nicht systematisch im ÖFK erfasst. - Wie viele Feldhamster sind auf diesen Flächen weitgehend gesichert (bitte für die Landkreise getrennt ausweisen)?
Die Monitoringdaten zu Ausgleichsflächen sind im Rahmen der Zusammenstellung der unterfränkischen Daten zum Vorkommen des Feldhamsters noch nicht vollständig erfasst. Ohne diese Recherche kann die Frage nicht beantwortet werden.
- Wird die Staatsregierung nach 16 Jahren Feldhamster-Hilfsprogramm, mit dem es nicht gelungen ist, die Population des Feldhamsters zu stabilisieren, Maßnahmen des Gebietsschutzes oder Bewirtschaftungsauflagen gemäß § 44 Abs. 4 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ergreifen?
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- Geht die Staatsregierung davon aus, dass eine Klage wegen nicht ausreichenden Schutzes des Feldhamsters in Bayern beim Europäischen Gerichtshof Erfolg haben könnte?
- Wenn nein, worin sieht die Staatsregierung die grundlegenden Unterschiede im Feldhamsterschutz Bayerns im Vergleich zu Frankreich, die zur Verurteilung durch den EuGH geführt hat?
Die Situation in Bayern ist mit der in Frankreich nicht zu vergleichen. Die Staatsregierung setzt ihr Artenhilfsprogramm Feldhamster kontinuierlich um und bereitet in diesem Rahmen weitere Maßnahmen vor. Das soll auch sicherstellen, dass die Vorgaben des EuGHs, die im Urteil gegen Frankreich für einen richtlinienkonformen Feldhamsterschutz formuliert sind, erfüllt werden.