Kritik am fahrlässigen Atommülltourismus

Die Schweinfurter Atomkraftgegner haben am Samstag vor dem KKG gegen die Atommülltransporte aus Würgassen protestiert und die mangelnde Transparenz kritisiert. Im Bild die beiden Hauptredner MdL Paul Knoblach (am Mikrofon) und Babs Günther (Bildmitte). Foto: Hannes Helferich
Die Schweinfurter Atomkraftgegner haben am Samstag vor dem KKG gegen die Atommülltransporte aus Würgassen protestiert und die mangelnde Transparenz kritisiert. Im Bild die beiden Hauptredner MdL Paul Knoblach (am Mikrofon) und Babs Günther (Bildmitte). Foto: Hannes Helferich

Protest-Demo gegen Zwischenlagerung fremden Atommülls in Grafenrheinfeld

Mit deutlichen Worten haben Atomkraftgegner bei einer Demo am Samstag die trotz vorheriger Proteste erfolgte erste Atommüllanlieferung aus dem stillgelegten AKW Würgassen nach Grafenrheinfeld kritisiert. Babs Günther vom Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomanlagen (SWAB) sprach von einem „fahrlässigen Atommülltourismus“ mit einem hohen Unfallrisiko, der dem Minimierungsgebot für kontaminierte Stoffe aus der Strahlenschutzverordnung widerspreche. Sie nannte das „fatal“. Auch der Grüne MdL Paul Knoblach als weiterer Hauptredner wies auf die Gefahren hin, kritisierte aber vor allem die Geheimhaltung durch die Verantwortlichen. Alle Versuche den ersten Liefertermin zu erfahren, seien im Sand verlaufe. „Wir werden gezielt ausgeschlossen, weil wir Widerständischen ja so gefährlich sind, viel gefährlicher als der verstrahlte Müll“, polemisierte Knoblach.

Gut 70 Kernkraftgegner sind der Einladung zum Protest direkt vor dem AKW-Gelände in Grafenrheinfeld von BA-BI, SWAB, der Bürgeraktion Müll und Umwelt, People 4 Future, dem Bund Naturschutz Schweinfurt, dem grünen MdL Knoblach und dem Kreisverband Schweinfurt von Bündnis 90/Die Grünen gefolgt. Zu diesem Schulterschluss ist es kurz nach dem Bekanntwerden der geplanten Atommülltransporte nach Grafenrheinfeld gekommen mit dem Ziel, diese zu verhindern.

Laut Knoblach ging der erste Transport am 16. Februar frühmorgens unter strengster Geheimhaltung über die Bühne, was er „schamlos und schäbig“ nannte. Die auf Hochglanzbroschüren von Preussen Elektra und der Gesellschaft für Zwischenlagerung genannte Transparenz seien „das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind“. Die Verantwortlichen für die Transporte hintergingen „unsere ganze Region mit 170.000 Menschen in Stadt und Landkreis und schützen anstatt uns vor dem Schaden durch atomare Strahlung den Atommüll vor uns, verkehrte Welt“, wetterte Knoblach unter Beifall.

Wenn man diese erste Lieferung auch nicht habe verhindern können, forderte Günther zum Kampf gegen weitere Atommüll-Transporte auf, die grundsätzlich nur noch in die Endlager zulässig sein dürften. Weil aber ein maximal abgeschirmtes Endlager noch lange Zeit nicht zur Verfügung steht, müssten wir auch für Grafenrheinfeld erkennen, dass die „Zwischenlagerung zur Langzeitlagerung wird“. Als Folge besteht die Gefahr, dass die nur bis 2046 begrenzte Genehmigung zur Zwischenlagerung „immer weiter verlängert wird“. Knoblach hieb in die gleiche Kerbe, sprach von „Ewigkeitszwischenlagern, deren Räumung die meisten von uns nicht mehr erleben werden“.

Weil es sich bei den atomaren Hinterlassenschaften um hochgefährliches Material handelt, forderte Günther deshalb eine umfassende Neubewertung des gesamten Konzeptes der oberirdischen Atommüll-Lagerung inklusive intensiver Forschung zu Gebäuden, Behältern und radioaktivem Inventar. „Radioaktive Strahlung kann Organismen auch schon in geringen Dosen schädigen“, sagte sie.

Unter Hinweis auf die nachfolgenden Generationen forderten Günther, Knoblach und BA-BI-Sprecher Christian Schäflein zu einem „Dranbleiben“ auf, weil das AKW in Grafenrheinfeld 2015 zwar glücklicherweise abgeschaltet wurde, „aber der Atomstandort noch immer steht“, wie Schäflein anmerkte. Die nächsten Gelegenheiten dazu sind in Schweinfurt die Mahnwache zum 12. Fukushima-Jahrestag am 11. März ab 11 Uhr auf dem Georg-Wichtermann-Platz und am 15. April der Anti-Atom-Frühling 2023 in München.

Eigentlich hätte die Atomkraft in Deutschland Ende 2022 Geschichte sein sollen. Doch statt die letzten drei AKW wie geplant abzuschalten, dürfen sie noch bis eben zum 15. April im sogenannten Streckbetrieb weiterlaufen. Schäflein wies bei der Demo am Samstag in diesem Zusammenhang daraufhin, dass die drei noch laufenden AKW auch in Krisenzeiten für unsere Stromversorgung nicht benötigt worden seien. Den von interessierten Kreisen vorausgesagten Blackout habe es auch nicht gegeben.

Beim Anti-Atom-Frühling in München am 15. April soll das endgültige AKW-Aus in Deutschland gefeiert werden. Sollte wider Erwarten doch noch eine weitere Laufzeitverlängerung beschlossen werden, würde die Veranstaltung zur Protest-Demo. Der Bund Naturschutz Schweinfurt organisiert eine Busfahrt, Anmeldung via Kreischef Edo Günther.

Der von den Schweinfurter Antiatomkraftgegnern erstellte Flyer zur Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren der Atommülltransporte und die Zwischenlagerung ist am Samstag vor dem KKG erstmals präsentiert worden. Er wird ab sofort von den beteiligten Organisationen und Parteien breit verteilt.

Den Flyer können Sie hier einsehen: Faktencheck: Atommüll

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