Grußwort MdL Paul Knoblach
Liebe Atomkraftgegner*innen und Aktiven der BA-BI,
Ich habe schon in den 1970er Jahren die Bücher vom Club of Rome gelesen. Die multinationale Organisation hatte den Bericht über „Die Grenzen des Wachstums“ da gerade veröffentlicht. Nach dem Studium des längst zum Klassiker gewordenen Standardwerkes sind mir die immensen Gefahren durch Atomkraft erst so richtig klar geworden. Es war damals auch die Zeit, als der Bau Kernkraftwerks in Grafenrheinfeld begann, 1981 ging es ans Netz. Zu dieser Zeit wollte die Atomindustrie auch in Wackersdorf eine Wiederaufbereitungsanlage für Atombrennstäbe bauen. Tausende Menschen und als einzige politische Partei die Grünen kämpften dagegen. Weder die rigorosen Polizeieinsätze, noch die diskriminierenden Reden des CSU-Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß hielten die Gegner aber auf. Die Anlage wurde nicht gebaut. Zum Glück. Für mich waren die Vorgänge damals der Anlass, erstmals Grün zu wählen.
Heute sitze ich für die Grünen als Abgeordneter im Landtag und ich bin erstaunt über die Stimmen, die wegen der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Krise eine Laufzeitverlängerung der drei noch laufenden Atomkraftwerke fordern. Warum wurde denn entschieden, dass in unserem Land das Atomzeitalter endet? Wegen Tschernobyl und wegen Fukushima.
Nach dem Reaktorunglück am 26. April 1986 in Tschernobyl war ich ein junger Vater zweier Buben und ich habe das verseuchte Molkepulver nicht vergessen. Ich erinnere mich auch noch sehr genau an das belastete Freilandgemüse und an das verstrahlte Wild. Die Grünen hatten damals einen Sofort-Stopp der Atomkraft gefordert. Und ich bin froh, dass damals vor 50 Jahren auch die Bürgeraktion Umwelt und Lebensschutz – Bürgerinitiative gegen Atomanlagen entstanden ist. Die BA-BI hat Groß-Demos, Mahnwachen organsiert und veranstaltet bis heute Gottesdienste am KKG. Und auch das sei noch erwähnt: Mit dem Jugendbuch „Die Wolke“ bekam der Protest 1987 literarischen Rückenwind. Tschernobyl und GAU-Szenarien hat Gudrun Pausewang eindrucksvoll am Beispiel Grafenrheinfeld beschrieben, auch die Wolke ist ein Klassiker, der vielen Menschen die Augen geöffnet hat.
Und jetzt die Forderung auf Laufzeitverlängerung? Nein, sie ist rundweg abzulehnen, weil sie vor allem auch nichts bis wenig bringt. Die Beschaffung neuer Brennelemente braucht einen Vorlauf von mindestens eineinhalb Jahren, weil sie für jedes Kraftwerk individuell angefertigt werden müssen. Dazu kommen die Sicherheitsüberprüfungen, auf die wegen der für Ende 2022 anstehenden Stilllegung verzichtet wurde. Und selbst wenn es wie offensichtlich im Fall Isar 2 bei München möglich wäre, dieses eine AKW länger laufen zu lassen, würde es in der aktuellen Gaskrise wenig nützen. Denn für die Stromversorgung spielt Erdgas in Deutschland keine große Rolle: Nur 11 Prozent des in Deutschland genutzten Gases landen in Stromkraftwerken. Und diese können ganz überwiegend auch nicht durch Atomkraft ersetzt werden.
Leider ist die Aufmerksamkeit, die dieses Thema bekommt, umgekehrt proportional zu seiner wirklichen Bedeutung. Denn faktisch vorstellbar ist allenfalls, die Leistung der AKWs in diesem Sommer etwas zu drosseln, um sie dann im kommenden Winter einige Monate länger laufen zu lassen – was aber kaum etwas nützt, weil die Gesamtmenge des Stroms dabei nicht mehr wird. Und nicht zu vergessen die Gefährdungen durch einen Angriff der russischen Aggressoren. Aber daran will ich gar nicht denken.
Söder und auf lokaler Ebene die wie immer Stromlinienförmigen CSU-Abgeordneten Weisgerber und Bär wissen um diese Fakten, ignorieren sie aber aus rein politischem Kalkül. Ihre CSU blockiert bis heute den Umstieg auf die Alternativen. Söder und seine Vasallen verhindern allein mit der unseligen 10H-Abstandsregel seit Jahren den Ausbau der Windenergie in Bayern. Und FDP-Lindner hat erfolgreich durchgesetzt, dass weiterhin neue Gasheizungen in Deutschland verbaut werden dürfen. Die neuerliche Atomdebatte wird erst enden, wenn die Betreiber die Reaktoren am Jahresende tatsächlich abgeschaltet haben. Und das muss kommen. Ungeachtet der derzeitigen Sorgen und Nöte, für die der Aggressor aus Russland in unserem Land sorgt.