Diskussion mit Anton Hofreiter und MdL Paul Knoblach in St. Kilian
Schweinfurt – Die deutschen Rüstungslieferungen an die Ukraine sieht der Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) „wegen der äußerst verbrecherischen Kriegsführung“ durch Russland notwendig und gerechtfertigt. Wegen der zu erwartenden Frühjahrsoffensive der Aggressoren und der Frontlänge müssten aber mehr Kampf- und Schützenpanzer geliefert werden als bisher zugesagt, „weil sie eine der wenigen Möglichkeiten für die Ukraine sind, Gebiete zurückzuerobern“. Und um Putin zu zeigen, dass er nicht einfach andere Länder überfallen kann, ohne dass Europa hier fest zusammensteht und die Demokratie schützt.
Die Frage, ob man die Ukraine auch mit Kampfjets unterstützen solle, stelle sich demgegenüber nicht, weil Deutschland dazu gar nicht in der Lage sei. „Wir haben nichts, was der Ukraine hier helfen könnte“, sagte Hofreiter bei der vom Schweinfurter Landtagsabgeordneten Paul Knoblach veranstalteten Vortrags- und Diskussionsrunde „Krieg und Frieden in Europa“ im mit rund 150 Besuchern voll besetzten Pfarrzentrum St. Kilian Schweinfurt.
Sowohl Hofreiter als auch Knoblach erinnerten zu Beginn an die schon früh gezeigten Machtinteressen Putins: 2008 Einmarsch im eigentlich georgischen Süd-Ossetien, 2014 Annexion der Krim und Besetzung der ukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk, 2015 Einmischung in den syrischen Krieg. Trotzdem wurden 2015 die Nord Stream 2-Verträge unterschrieben und die wichtigsten Erdgas-Speicher an Gazprom verscherbelt. „Wir haben uns systematisch von Russland anhängig gemacht“, sagte Hofreiter.
Der Vorsitzende des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Bundestag rief vor allem auch das Budapester Memorandum von 1994 in Erinnerung, in dem sich die USA, Großbritannien und Russland gegenüber der Ukraine verpflichteten, ihre Souveränität und territoriale Integrität anzuerkennen, wenn diese im Gegenzug ihre Nuklearwaffen abtreten. Ukraine hat das freiwillig getan, Russland das Land dann aber dennoch am 24. Februar 2022 angegriffen. Für den Europapolitiker der Grünen die „größte Dimension des Vertragsbruchs“.
Hofreiter, dessen Kernthema vor kurzem noch die Biodiversität war, war einer der ersten Bundespolitiker, der die Ukraine bereiste. Bei seinen Aufenthalten sprach er auch mit befreiten Kriegsgefangenen und Verletzten. Er sah somit das ganze Ausmaß des brutalen Überfalls. „In der Ukraine wird massiv und wahllos gefoltert, in großem Umfang vergewaltigt und gezielt nichtmilitärische Infrastruktur mit vielen zivilen Opfern zerstört“, sagte Hofreiter.
Diesen Krieg wolle niemand. Verhandeln, das ist leider das, was Putin, ein „klassische Imperialist“, ablehnt. Erst wenn Putin überzeugt ist, dass er diesen Krieg nicht gewinnen kann, werde er zu Verhandlungen bereit sein, „weshalb wir die Verteidigungsfähigkeit der Ukrainer weiter unterstützen müssen, solange es nötig ist“, sagte Hofreiter – untermauert vom mehrfach geäußerten Hinweis, dass die Ukraine das „überfallene Land ist“ und sich vom Völkerrecht gedeckt auch wehren dürfe.
Auf eine Frage hin stellte Hofreiter klar, dass, wenn von einem Sieg der Ukraine die Rede ist, „niemand meint, dass die Ukraine Russland überfällt“. Das Land wolle gar nicht als aggressive Macht agieren, sondern einfach nur seine eigenen Gebiete wieder befreien. Deutschland werde im Übrigen erst dann in den Krieg hineingezogen, „wenn wir Soldaten schicken, aber das tun wir nicht“, lautete die Antwort auf eine weitere Frage.
Einige Besucher aus dem rechten Spektrum versuchten mit nachweislich falschen Behauptungen und auffälligem Verhalten zu provozieren. Moderator Knoblach und Hofreiter ließen sich aber nicht aus der Ruhe bringen, stellten lediglich fest, dass die russische Propaganda bei einigen offensichtlich Früchte trägt. Die Schnittmenge der Leute, die das Klima leugneten und prorussisch argumentierten, sei groß, merkte Hofreiter an. Freilich: Die meisten Fragesteller hielten sich an die Regeln, eine große Mehrheit quittierte die von den Grünen gebotene Möglichkeit einer respektvollen Diskussion mit lang anhaltendem Beifall. Ein eindrucksvolles Zeichen.