Ein Wahnsinnprojekt, das in Zeiten der Klimakrise nicht mehr sein darf
Die geplante Ortsumgehungsstraße von Sulzfeld im Landkreis Rhön-Grabfeld hat der Schweinfurter Landtagsabgeordnete Paul Knoblach (Bündnis 90/Die Grünen) bei einer Flurbegehung mit Vertretern von Fridays for Future, dem BUND Naturschutz, Kreis-Grünen und örtlichen Umgehungsgegnern „einen brutalen und nicht hinnehmbaren Einschnitt in ein wunderschönes Naturgebiet“ genannt. Fast acht Hektar Wald, Wiesen und Ackerflächen unter einer Teerdecke verschwinden zu lassen, sei angesichts der Prognosen für 2035 von nur 2000 Fahrzeugen pro Tag „mit nichts zu rechtfertigen und gegen jeden gesunden Menschenverstand“, so Knoblach in einer Pressemitteilung seines Büros.
Knoblach hat im jetzt eingeleiteten Planfeststellungsverfahren gegen das Vorhaben selbst umfassend Einwendungen erhoben. Sollte die geplante Umgehungsstraße im Westen von Sulzfeld Realität werden, durchschneidet sie mit massiven Geländeeinschnitten von bis zu 70 Metern Breite und zehn Metern Tiefe und Böschungsbauten im gleichen Ausmaß das intakte Schmuckenbachtal und den Schmuckenhauck mit seinen gewachsenen Waldungen und Wiesen als Heimat vieler geschützter Tiere. Inklusive der Ausgleichsflächen gingen insgesamt 24 Hektar Blühwiesen, Brachland, Ackerflächen und Wald verloren. „Angesichts der fortschreitenden Klimakrise und mit Blick aufs aktuelle Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts ein Unding“, erklärte der Grüne MdL.
Jürgen Dill-Schilling, einer der vielen Umgehungsgegner aus Sulzfeld, und der Kreisvorsitzende des BUND Naturschutz Helmut Bär sprachen bei der Ortsbegehung von wertvollster und zum Teil geschützter Natur, die „nicht einfach so herausgerissen werden darf“. Potenziell betroffen wären 30 Vogelarten, darunter die besonders geschützte Bekassine. Nachgewiesen sind 17 Fledermausarten, deren zentrale Flugrouten durch die Trasse durchschnitten würden. Wenn die Planer das Problem mit einem Fledermaustunnel lösen wollen, ist das nur eine gute Planung, der aber nicht alle Fledermäuse folgen. „Eine Papierkonstruktion“ nennt die Planung Dill-Schilling. Weil bei den drohenden Waldrodungen auch 14 Quartierbäume gefällt werden, fehle den geschützten Fledermäusen ihre Grundlage. Auch der Lebensraum vieler Waldvögel und zahlreicher Insekten würde „ohne Not für immer zerstört,“ so Helmut Bär.
Der gebürtige Schweinfurter Dill-Schilling ist in den 1990ern auch „wegen der Natur nach Sulzfeld gezogen“. Im Rahmen eines Tourismusprojektes für Sulzfeld hatte er im Auftrag der Gemeinde rund 78 Kilometer Wanderwege mit ausgewiesen. Dill-Schilling fürchtet bei Realisierung der „irrsinnigen“ Pläne auch um das wirtschaftliche Leben in der Gemeinde. Mit einer Umgehung verlören die derzeit fünf Gaststätten viel Kundschaft, wären wie beispielsweise das Bärental „abgeschnitten“. Mangels Frequenz wäre auch die Metzgereifiliale, möglicherweise der Lebensmittelladen gefährdet.
Auch Peter Diestel von der Bad Neustädter Ortsgruppe von Fridays for Future hat sich intensiv mit dem Vorhaben auseinandergesetzt und kritisiert, dass das von den Behörden genannte Verkehrsaufkommen von angeblich 2614 Fahrzeugen pro Tag auf alten Zahlen beruht. Auch die Auswirkungen der A71 mit weniger Verkehr in Sulzfeld seien nicht berücksichtigt worden. Es gebe aber vor allem einfachere und kostengünstigere Möglichkeiten zur Entlastung der Sulzfelder Anlieger, sagte Diestel und nannte als Beispiele ein noch nicht versuchtes Tempolimit und Flüsterasphalt. Er verwies zudem auf den Trend hin zum leiseren Elektroauto. „Wir stecken tief in einer Klimakrise, weshalb selbst 2000 Fahrzeuge am Tag einen solchen Flächenverbrauch von insgesamt über 24 Hektar nicht rechtfertigen“, sagte er.
Die Grüne Kreisrätin Birgit Reder-Zirkelbach wies beim Ortstermin daraufhin, dass es mit diesem Projekt nicht getan sei, weil in der Folge weitere Umgehungen mit weiteren Flächenverlusten drohten. Sie erinnerte auch an den derzeitigen Radwegebau entlang der Staatsstraße 2280 mit Kosten von 1,9 Millionen Euro. Der Bau einer Umgehung vor allem einer solchen Dimension sei insofern schwer verständlich. Die klare Botschaft aller Teilnehmer lautete deshalb: Nein zur Umgehung des 1700-Seelen-Dorfes Sulzfeld.