Großes Interesse an Informationsveranstaltung über Rechtsextreme von AfD und Dritter Weg in Oberndorf
Die demokratisch gesinnte Schweinfurter Zivilgesellschaft setzt sich gegen das Erstarken der AfD und den von der rechtextremen Kleinstpartei Dritter Weg im Stadtteil Oberndorf eröffneten Stützpunkt zur Wehr. Am Sonntag vor einer Woche (12. November) war die seit vielen Jahren über die rechte Szene recherchierende Autorin Birgit Mair (Nürnberg) im Stattbahnhof, am Mittwoch (16. November) Julia Beinder von der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus der Bayerischen Staatsregierung (BIGE) beim TV Oberndorf zu Gast.
Beide Expertinnen referierten über die Strukturen der rechtsextremen Rechten, ihre Methoden und die von AfD und III. Weg ausgehenden Gefahren. Mit insgesamt über 250 Besuchern waren die Informationsveranstaltungen von „Schweinfurt ist bunt“ im Jugendkulturzentrum sowie von Bündnis 90/Die Grünen, CSU und SPD in Oberndorf „ausverkauft“. Der Schweinfurter Landtagsabgeordnete Paul Knoblach (Grüne) wertete das als großartiges Zeichen der Demokraten.
Schon kurz nach Eröffnung des Dritte-Weg-Büros im Oktober 2022 hatte Knoblach eine erste Informationsveranstaltung mit seinem mit dem Thema vertrauten grünen Landtagskollegen Cemal Bozoğlu sowie Felix Balandat von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS) beim TVO initiiert. Für die aktuelle und bewusst überparteiliche Runde gewann der Biolandwirt aus Garstadt Schweinfurts CSU-Bürgermeisterin Sorya Lippert und seinen SPD-Landtagskollegen Volkmar Halbleib (Ochsenfurt).
„Wir müssen uns um die Demokratie kümmern“, untermauerte Halbleib die Wichtigkeit solch aufklärender Veranstaltungen. „Vor zehn Jahren hätte ich das nicht gesagt“, heute aber sei ein solcher Satz nötig, weil mit dem ausgeprägten Höcke-Flügel der Rechtsradikalismus jetzt mitten im Landtag sitzt. „Die Sicherheit, dass sich Rechtsradikale nur im engen Kreis bewegen, die ist vorbei“, so Halbleib.
Auch für Sorya Lippert „ist bei uns gehörig etwas ins Rutschen geraten“. Die Bürgermeisterin meinte damit den von der AfD und dem III.Weg angestrebten Systemwechsel. Statt stolz zu sein, dass „wir eine Republik sind“, statt Deutschland als Einwanderungsland anzuerkennen, „wollen die Rechten Vielfalt, Bildung und Toleranz streichen und die Naturlandschaft zerstören“, warnte Lippert.
In diese Kerbe hieb auch Knoblach. Dem so dringend notwendigen Klima- und Naturschutz werde er sich zwar weiterhin widmen. Wegen der Radikalisierung der AfD und der Umtriebe der rechtextremen Dritte-Weg-Akteure in Schweinfurt werde er seinen nach dem AfD-Eklat bei einer Rede der jüdischen Holocaust-Überlebenden Charlotte Knobloch 2019 im Landtag begonnenen Kampf gegen die Rechtsaußen fortsetzen. „Die Demokratie braucht starke Demokraten, damit Extremisten keinen Zipfel Macht bekommen“, sagte Knoblach.
Dann Beinder. Powerpoint-unterstützt erklärte die frühere Polizeibeamtin die Aufgaben der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) als Kooperationsplattform von Polizei und Verfassungsschutz. Hauptaufgabe ist Prävention durch Aufklärung – vor allem auch in Schulen. Dass genau das im Schweinfurter Raum intensiv erfolgt, hat mit dem Dritten Weg zu tun. Die Neonazis haben am 3. Dezember 2022 kurz nach der Eröffnung eines so genannten Bürgerbüros in Schweinfurt – dem ersten in Bayern – eine Nationalrevolutionäre Jugendgruppe gegründet. Schon am 6. Dezember wurde die auf die Neonazis längst aufmerksame BIGE in der benachbarten Pestalozzi-Förderschule vorstellig. „Wir informieren, damit die Aktionen des Dritten Weg ins Leere laufen“, sagte Beinder.
Als rechtsextremistisch eingestuft sind in Bayern laut der Referentin 2590 Personen. Ein Großteil (1410) ist ohne Parteibindung unstrukturiert unterwegs – anonym mit viel Hass im Internet oder als Besucher auf Konzerten rechter Bands, deren es in Bayern immerhin zehn gibt. 680 Neonazis gehören einer Partei an, wie die rund 30 Personen, die dem Dritten Weg in Schweinfurt zugeordnet werden.
Ihr Kernthema ist Asyl und Zuwanderer, ist der Schutz des deutschen Volks vor Überfremdung. Im Büro in Schweinfurt bieten die Nazis immer freitags für zwei Stunden „Nachbarschaftshilfe“ an, natürlich nur für Deutsche mit einem vermeintlich sozialen Engagement wie einer Kleiderkammer oder dem Angebot von Tierfutter. Ob das auch so stattfindet, weiß Beinder nicht. Sie verdeutlichte aber den zirka 100 Besuchern in der offenen Frage- und Diskussionsrunde, dass auch die BIGE Protest gegen die Neonazis begrüßt. „Ich bin immer froh, wenn Flagge gezeigt wird“.
Gezielt wirbt der Dritte Weg auch in Schweinfurt um Nachwuchs ¬ – mit Survival-Abenteuer-, Sportangeboten und Stammtischen. In den auch im Umfeld von Schulen verteilten Flyern werden wiederum bewusst Ängste gegen Migranten geschürt, etwa mit der falschen Behauptung, dass diese „unsere Jugendzentren vereinnahmen“. Aufklärende Prävention durch die BIGE ist da wichtig, sie erfolgt auch und das erfreulich erfolgreich. Bei einer Video-Information haben sich 500 Lehrer zugeschaltet, berichtete Beinder.
In Schweinfurt hat die BIGE aber auch selbst an vielen weiteren Schulen Aufklärung betrieben, mittlerweile und auf Anregung der Stadt hat man sie auch auf den Grundschulbereich ausgedehnt. Kernziel allen Wirkens ist, die Ausdehnung der rechtsextremen Szene zu verhindern. Beinder: „Der Dritte Weg soll keinen Fuß fassen“. Und das scheint einigermaßen zu klappen. Zulauf haben die Rechtsextremen des Dritten Weg jedenfalls nicht, wenngleich Beinder einschränkte: „Das liegt auch an der Stärke der AfD, die in der Mitte der Gesellschaft ist“.
Wie die Nazis los kriegen? Den Schlüssel dafür sieht Beinder im Vermieter. Ihre Informationsstelle ist mit ihm im Gespräch, hofft, dass er das befristete Mietverhältnis nicht verlängert.
Knoblach dankte Beinder, den Politikerkollegen und mit Klaus Schuler dem Vorsitzenden des TV Oberndorf, der den Saal und die Technik erneut kostenfrei zur Verfügung stellte. Viel Beifall gab es für die Ankündigung, dass man solange weiterkämpft, bis „wir dieses Objekt und die Nazis loskriegen“. Der grüne MdL schloss mit einem Zitat von Berthold Brecht: „So was hätt einmal fast die Welt regiert!/ Die Völker wurden seiner Herr,/jedoch: Dass keiner uns zu früh da triumphiert/ Der Schoß ist fruchtbar noch,/ aus dem das kroch“.