„Das fossile Auto darf den Verkehr nicht mehr dominieren“

Steigerwaldbahn: Schiene hat Zukunft
Moderator Holger Laschka (vorne) bei der Veranstaltung „Steigerwaldbahn: Schiene hat Zukunft“ mit (von links) dem grünen Stadt- und Geo-net-Kreisrat Thomas Vizl, Dr. Konrad Schliephake, Verkehrsplaner Robert Wittek-Brix, dem Landtagsabgeordneten Paul Knoblach und seiner Bundestagskollegin Dr. Manuela Rottmann.

Eine Mehrheit fordert: Steigerwaldbahn eine Chance zu geben

Beifall brandete auf, als Landtagsabgeordneter Paul Knoblach wie zum Auftakt auch am Ende der dreistündigen Diskussionsrunde „Steigerwaldbahn: Schiene hat Zukunft“ wiederholte: „Das fossile Auto darf wegen des fortschreitenden Klimawandels den Verkehr künftig nicht mehr dominieren“. Möglich werde das aber nur, wenn „wir stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren“.

Der Biolandwirt aus Garstadt meinte explizit die Steigerwaldbahn, die er ein Symbol für die Probleme bei der Umsetzung der dringend notwendigen Mobilitätswende nannte. Deren „zentraler Baustein kann aber nur die Bahn sein“, sagte Knoblach und erinnerte hier an die dementsprechende Festlegung der Bayerische Staatsregierung im Koalitionsvertrag. Er forderte dazu auf, der Steigerwaldbahn diese Chance zu geben. Wenn der erwähnte Beifall der über 200 Menschen – großteils aus den Gemeinden entlang der noch stillgelegten Bahnstrecke – der Gradmesser war, dann steht eine Mehrheit der Bürger hinter dieser Forderung.

Es waren aber auch zahlreiche Gegner einer wiederbelebten Strecke gekommen, die sich bei der von Knoblach und seiner Bundestagskollegin Dr. Manuela Rottmann (Hammelburg) initiierten Drei-Stunden-Veranstaltung im Paul-Hersam-Haus in Gerolzhofen wie gewünscht zu Wort meldeten, einige mit unnötig aggressiven Zwischenrufen. Dass es aber sachlich und fair weiter und auch zu Ende ging, hatte mit der Gesprächsführung durch den Pressesprecher der Landtagsfraktion und grünen Kandidaten für die Schweinfurter OB-Wahlen im März 2020 Holger Laschka, vor allem aber mit den erfrischenden und inhaltsreichen Beiträgen des Heidelberger Verkehrsplaners Robert Wittel-Brix und Dr. Konrad Schliephake (Universität Würzburg) zu tun.

Der Geograf von der Universität Würzburg hatte das Bahn-Gutachten im Auftrag des Fördervereins Steigerwaldexpress verfasst. Die im Vorfeld verbreitete Aussage des CSU-Innenstaatssekretärs Gerhard Eck, es handele sich um ein Gefälligkeitsgutachten für die Grünen, wies der Professor deshalb als „Unverschämtheit“ zurück. Er arbeite wissenschaftlich, erstelle seit 30 Jahren Gutachten, darunter auch schon etliche für die CSU, noch keines für die Grünen, das einzige „Grüne“ an ihm sei ein grüner Kugelschreiber: Ein Geschenk eines CSU-Landrates. Netter Seitenhieb an die Adresse Ecks, erklärter Gegner der Steigerwaldbahn.

Seine Prognose für die Mainschleifenbahn, so Schliephake, sei „fast auf die Zahl von Gutachten der Bayerischen Eisenbahngesellschaft bestätigt worden“. Einmal mehr erinnerte er daran, dass sich aufgrund der prognostizierten Fahrgastzahlen eine Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke rechne. Wichtig war ihm auch der Hinweis auf die seit 1996 bundesweit reaktivierten 49 Bahnstrecken. Bei lediglich fünf seien die Prognosen nicht erreicht, während bei 13 Trassen die Erwartungen bei weitem übertroffen worden seien. Beispiel war die Schönbuchbahn bei Böblingen. Der letzte Personenzug fuhr dort 1965, die 2012 gezählten 10.000 Fahrgäste waren fünfmal so viel wie prognostiziert.

SPNV-Reaktivierungen im ländlichen Raum seit 1996
SPNV-Reaktivierungen im ländlichen Raum seit 1996

Falls die Steigerwaldbahn wiederkommen sollte, würden Haltestellen an neuen, weiteren Standorten installiert. Das von Bahngegnern etwa aus Sennfeld, Gochsheim, Grettstadt oder Prichsenstadt zu hörende Argument, die Bahn würde Wohngebiete zerschneiden und Anwohner belästigen, ließ Schliephake nicht gelten. Ganz im Gegenteil seien an wiedereröffneten Trassen die Neubaugebiete wieder näher an die Bahn gerückt um davon zu profitieren. Auch das Argument, dass es etwa am Sennfelder Bahnhof zu einem Verkehrschaos kommt, wenn die Bahn dort wieder verkehrt, ließ Schliephake nicht gelten. Mit der heutigen Technik sei ein Zug schnell über der Straßenquerung, der Autoverkehr müsse rote Ampeln auch akzeptieren. Und: „Die Bahn ist immer erfolgreicher als der Bus. Das ist empirisch bewiesen.“ Allerdings solle die Bahn mit statt gegen den Bus eingesetzt werden.

Visionär war Robert Wittek-Brix aus Heidelberg unterwegs. Eingangs griff auch er den von Staatsekretär Eck an alle CSU-Mitglieder in der Region eigens für die Veranstaltung verschickten Argumentationsleitfaden gegen die Bahnbelebung auf: Wittek-Brix gab dem CSU-Mann – zunächst zur Verwunderung vieler Zuhörer – in allen Punkten Recht. Eck habe aber den aktuellen Zustand der Steigerwaldbahntrasse beschrieben, die es – unflexibel, mit Vollzügen betrieben – nicht mehr geben werde. Die Zukunft seien leise, umweltfreundliche Mischsystemfahrzeuge, die über Land als Zug, in der Stadt aber auch als eine Art Straßenbahn fahren könnten („aus der Region mitten in die Stadt“).

Aus der Region mitten in die Stadt
Wittek-Brix: Die Zukunft seien leise, umweltfreundliche Mischsystemfahrzeuge, die über Land als Zug, in der Stadt aber auch als eine Art Straßenbahn fahren könnten („aus der Region mitten in die Stadt“).

Er wies auch auf die denkbaren Synergieeffekte mit der Mainschleifenbahn hin, machte klar, dass es für einen Bahnbetrieb mehr Zuschüsse gebe, was im Umkehrschluss bedeute, dass dort, wo die Bahn den Bus ersetzt, die Landkreise diese freiwerdenden Mittel anderweitig, zum Beispiel zum Ausbau des ÖPNV in bisher vernachlässigten Gegenden benutzen könnten. Wittek-Brix wusste unter Hinweis auf entsprechende Erhebungen, dass bei einem funktionierenden Schienenverkehr 40 Prozent bereit wären, ihr Auto stehen zu lassen. Beim Buseinsatz sind das nur fünf Prozent, weil sie den Bus „als großes Auto assoziieren“.

Der Verkehrsplaner erinnerte einmal mehr auch daran, dass die Trasse planungsrechtlich Bestandsschutz genießt, sie also sofort reaktiviert werden könnte. Die Bahn dürfe außerdem niveaugleich über Umgehungsstraßen fahren, weil es sich eben um keinen Neubau handle. Deshalb auch seien keine neuen Über- oder Unterführungen nötig. Und: „Die Strecke sieht schlechter aus als sie ist“. Laut Verkehrsplaner Wittek-Brix seien die für die Militärtransporte der Amerikaner eingebauten Betonschwellen und Brücken noch in einem tadellosen Zustand.

Die Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann erinnerte, dass die Verkehrsemissionen seit 1990 in etwa gleichgeblieben seien. Eine Mobilitätswende forderte deshalb auch sie, zumal die Mittel für die Bahn im Bundeshaushalt rückläufig, die für den Straßenbau demgegenüber gestiegen seien. Mit ein Grund sei, dass das zuständige Ministerium in CSU-Hand sei, was sich auch daran zeige, dass Bayern beim Straßenbau „vorne ist“. Rottmann prognostizierte allerdings, dass sich das angesichts der öffentlichen Diskussion „ändern wird“ und riet deshalb dazu, fertige Pläne für den ÖPNV-Ausbau vorzubereiten.

Nicht unwichtig war der Hinweis des auch auf dem Podium sitzenden Kreis- und Geo-net-Stadtrats Thomas Vizl. Die Anliegergemeinden, deren Bürgermeister und Gemeinderäte sich großteils gegen eine Wiederbelebung ausgesprochen hätten, habe er eine Schliephake-Studie zugesandt. Doch keiner habe darauf reagiert, im Gegenteil: plötzlich seien Anträge zur Entwidmung der Bahnstrecke gestellt worden.

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