Wertes Präsidium, werte Kolleginnen und Kollegen!
Der Zuckerrübenanbau ist mir als Bauern in der zwölften Generation sehr nah. Ich war schon als kleiner Junge oft genug dabei und bin es bis heute. Ich tue das allerdings seit langer Zeit als Biobauer. Insofern weiß ich schon, wovon ich spreche.
Wir GRÜNEN hatten nicht wirklich geglaubt, dass Sie die Lehren aus dem Insektenschutzprogramm und aus der Strategie des Bundes zur Pestizidminimierung verinnerlicht hätten. Aber dass Sie bereits unmittelbar nach dem Beschluss mit diesen Anträgen das alles über den Haufen werfen, wundert uns schon. Dass Sie so schnell vergessen, was mit dem in Bayern erfolgreichsten Volksbegehren „Rettet die Bienen“ erreicht war, das hätten wir nicht erwartet. Ob es rechtlich einwandfrei ist oder nicht, mit den beiden Anträgen konterkarieren Sie die Anstrengungen im Bund und hier in Bayern.
Insektizide sind und bleiben – der Name sagt es – für Insekten und leider auch für Vögel tödlich. Ein weiteres Problem ist: Die Wirkstoffe sind persistent. Ihre todbringende Wirkung hält an, auch wenn die Felder leer und die Zuckerrüben in diesem Fall längst abgefahren sind. Der verwendete Wirkstoff Thiamethoxam und das daraus entstehende Abbauprodukt Clothianidin zeichnen sich durch eine sehr hohe Toxizität gegenüber den Honigbienen aus. „Rettet die Bienen“ sieht anders aus.
Bundesministerin Klöckner hat die Verantwortung an die Länder abgegeben und sich um einen konsequenten Insektenschutz gedrückt. Unsere bayerische LfL arbeitet sicher nach bestem Wissen und Gewissen. Vom BVL würde ich das auch behaupten. Aber die Hoffnung, diese Einrichtungen würden Ihre Anträge wissenschaftlich absichern, geht leider nicht auf.
Trotzdem: Es bleibt die Frage, ob der Notfall nicht zum Normalfall werden wird, wenn der schnelle Griff zu den Neonicotinoiden weiterhin im Notfall erlaubt wird. Mit Neonicotinoiden behandeltes Saatgut stellt nicht nur ein indirektes Problem für die Vogelwelt dar, indem es Insekten als Nahrungsquelle reduziert. Offen auf dem Acker verbleibendes Saatgut oder bei anderen Tätigkeiten auf den Boden, auf die Erde, auf den Hof, wo auch immer, fallendes Saatgut ist ein direktes Problem. Ein Haussperling beispielsweise kann durchaus schon nach der Aufnahme von nur zwei Körnern sterben. Damit ist die tödliche Dosis wohl sehr schnell erreicht.
Individuelle Notfallzulassungen in den Mitgliedsländern führen nur dazu, dass der Insektenschutz und damit der Bienenschutz aufgeweicht werden. Sie widersprechen dem europäischen Ziel, den Pestizideinsatz bis 2030 zu halbieren. Fassen wir zusammen, wie paradox das Ganze ist: Die Notfallzulassungen gehen gegen die europäischen, die deutschen und die bayerischen Ziele hinsichtlich des Insektenschutzes.
Zu den einzelnen Anträgen möchte ich Folgendes sagen: Wir lehnen alle drei ab.
Zu dem Antrag der FDP: Mit den gewünschten alternativen Bekämpfungsmethoden sind nur andere alternative Pestizide gemeint. Gerade im Fall der Zuckerrübe wird deutlich, dass für die Bienen, Vögel und Bodenlebewesen nicht viel erreicht ist, wenn bestimmte bienenschädliche Mittel wie Neonicotinoide durch andere, vielleicht sogar noch schädlichere Mittel ersetzt werden. Falsch ist die Grundannahme, dass man der Natur mit technischen Lösungen und mit einem Gifteinsatz auf die Sprünge helfen kann, anstatt nach den Ursachen, der Erforschung und der Abstellung zu suchen.
Zu dem Antrag von CSU und FREIEN WÄHLERN ist zu sagen: Beide Fraktionen stellen das Verbot, Neonicotinoide im Freiland anzuwenden, nicht infrage. Aber sie verlangen Ausnahmen. Die zunehmend steigenden Temperaturen – unbestritten hervorgerufen durch den Klimawandel – begünstigen Schädlinge. Das ist offenkundig. Mit der Argumentation von CSU und FREIEN WÄHLERN können aber immer Notfallzulassungen gerechtfertigt werden. Aus dem Notfallzustand kann sehr schnell ein Dauerzustand werden. Grundsätzlich muss das Ziel sein, die Pestizidabhängigkeit des Zuckerrübenanbaus zu beenden. Das ist in allen Anträgen nicht zu erkennen.
Zusammenfassend ist zu sagen: Mit den Anträgen konterkarieren Sie die Anstrengungen im Bund und auch hier in Bayern. Stattdessen brauchen wir Forschungsanstrengungen, um generell von den Pestiziden in der Landwirtschaft wegzukommen. Wir brauchen eine neue Qualitätsinitiative für biodiversitätsschonend, naturnah und bienenfreundlich angebaute Zuckerrüben.
Wir GRÜNEN lehnen die vorgelegten Anträge ab, weil wir aus der bisherigen Zwangsläufigkeit rausmüssen, die immer wieder heißt: neuer Feind, neues Gift. – Damit stehen wir für den Zuckerrübenanbau, aber auch für Biodiversität.
Danke für ihren Einsatz gegen die verbotenen Neonics. In fußläufiger Entfernung von meinem Wohnort gibt es mit Cruiser 600 gebeizte Zuckerrübenfelder. Die Auflagen der Notfallzulassung werden nicht eingehalten: blühende Ackerkräuter stehen in großer Zahl auf der Fläche,gegen Abschwemmung werden keine Maßnahmen getroffen, die ortsansässigen Imker wurden nicht informiert. Der Antrag zur Notfallzulassung enthält keine Zahlen zu Begründung einer Gefahr wie für Notfallzulassung gefordert. Die geltende Notfallzulassung enthält keine Maßnahme zum Umgang und Verbleib der Rückstände bei der Rübenverwertung.
Bleiben sie dran und viel Erfolg!
Als der Antrag auf Notfall-Zulassung für 2021 im Landtag diskutiert und schlußendlich genehmigt wurde, standen die gebeizten Zuckerrüben schon 60cm Hoch auf den Äckern.
Ich befürchte für das Anbaujahr 2022 geht es genauso.
Es gilt die Wiederholung zu verhindern!