Antwort auf Anfrage von Paul Knoblach, MdL bringt neue schockierende Erkenntnisse zu Schlachthof-Skandalen
Paul Knoblach, Sprecher für Tierschutz der Landtags-Grünen erklärt:
„Wir haben es hier nicht mit einem einfachen Schlachthof-Skandal zu tun. Sondern mit einem kriminellen System, bei dem Regelverstöße zum Arbeitsalltag gehören. Tierleid ist als Kollateralschaden schon eingepreist. Das alles geschieht unter den Augen von Kontrollinstanzen, die die Lage zwar erkennen, aber nicht die Kraft haben, sich dem entgegenzustemmen. Und das ist wiederum das Resultat der Politik der Söder-Regierung, die nichts dagegen tut, dass wichtige Stellen personell ausbluten.“
„Wie haarsträubend das bayerische Tierschutzproblem ist, zeigt der Fall Aschaffenburg. Obwohl seit 2018 ununterbrochen Tierleid dokumentiert wird, macht der Betreiber munter weiter und setzt darauf, dass juristische Verfahren dauern und die Behörden ohnehin an der Belastungsgrenze arbeiten. Jetzt sind der Ministerpräsident und sein Verbraucherschutzminister gefordert. Es kann nicht sein, dass sie dabei zuschauen, wie Verbraucherinnen und Verbraucher weiter Fleisch aus Qualschlachtung kaufen, ohne zu ahnen, was auf ihrem Teller liegt. Das ist ein Verrat an Mensch und Tier.“
„Der Verbraucherschutzminister kann nicht länger so tun, als wüsste er von nichts. Handeln ist angesagt. Es braucht einen klaren politischen Kompass im Sinne des Tierwohls. Das heißt: Zuständigkeitswirrwarr zwischen Kontrollinstanzen beenden, die Behörden unterstützen, wenn es Personalengpässe gibt und Kontrollmethoden nachschärfen. Nur so bekommt Bayern sein Tierschutzproblem in den Griff!“
Aus den Antworten des Verbraucherschutzministeriums auf eine Anfrage der Landtags-Grünen geht hervor:
1. Die Mitte 2023 bekanntgewordenen Missstände sind nur die Spitze des Eisbergs. Insbesondere der Schlachthof in Aschaffenburg ist den Kontrollbehörden über Jahre immer wieder aufgefallen. Haarsträubende Tierschutzverstöße wurden hier seit 2018 Jahr um Jahr dokumentiert. Auch Hobbach fiel mehrmals auf.
2. Welche Verstöße dokumentiert wurden, geht aus der Antwort nun im Detail hervor, s. Tabelle S. 3 ff. Es handelt sich u.a. um:
- Mängeln an der Ausrüstung / falsche Ausrüstung (auch Betäubungsgeräte)
- Zuviel Kot und Urin auf den Böden
- Zu wenig oder fehlendes Trinkwasser
- Falsche Nahrung
- Verschimmelte Nahrung
- Tiere stehen 24 Stunden und mehr im Stall, z. Teil ohne Futter. Für die Versorgung der Tiere ist eigentlich u.a. vorgegeben: nach 2 Stunden tränken, nach 6 Stunden füttern, nach 12 Stunden bei Kühen melken (vom letzten Melken an gerechnet).
- Kein sofortiges Töten bzw. Absondern kranker und verletzter Tiere oder von Jungtieren, die noch gesäugt werden
- Verdreckte Tiere
- Zu lange Isolation von Tieren
- Grausame Verstöße bei der Tötung
3. Besonders schockierend ist u.a., der wiederholt auftauchende Hinweis, dass die „Stun-Stick-Zeit“ bzw. „Zeitraum zwischen Betäubung und Entblutung“ überschritten wurde. Das heißt also, dass die Zeit zwischen Betäuben und Töten des Tieres wiederholt zu lang war. Eigentlich gilt: Es muss so schnell wie möglich gestochen werden. In keinem Fall darf die betriebsspezifisch festgelegte Stun-to-Stick-Zeit die in der TierSchlV in Anlage 2 festgelegten Zeiträume überschreiten. Die Vorgaben lauten bei der Bolzenschussbetäubung von Rindern: 60 Sekunden; bei der Elektrobetäubung von Schweinen: 10 Sekunden (Liegendentblutung), bzw. 20 Sekunden (Entblutung im Hängen).
4. Außerdem wurden mehrfach Rinder und Bullen mit Geräten betäubt, die nicht ihrem Gewicht entsprachen. Die Betäubung ist dann u.U. nicht ausreichend. Es ist auch von „ausgebrochenen Einschusslöchern“ in Rinderköpfen die Rede. Das spricht dafür, dass die Wartung der Geräte nicht gut genug stattfindet. Insbesondere entsteht so etwas, wenn der äußere Grat des Schussbolzens (hat innen eine kleine Delle) nicht mehr scharf und schneidend, sondern stumpf ist. Dadurch wird der Schädelknochen im Bereich des Loches flächig eingedrückt.
Weitere Erkenntnisse aus den Antworten:
- Zu Konsequenzen, insbesondere einer möglichen Straffung des Kontrollturnus, gibt das Ministerium keine konkrete Antwort.
- Bereits aus einer früheren Anfrage (s. u. Hintergrund) der Landtags-Grünen ging hervor, dass die Veterinärämter Aschaffenburg und Miltenberg mehrfach Überlastung meldeten – sie zeigten also an, dass sie dringend mehr Personal benötigen.
- Anzumerken ist außerdem: Es ist der Hartnäckigkeit von uns Grünen zu verdanken, dass diese Informationen nun vorliegen. Die Beantwortung unserer Anfragen zum Thema zieht sich seit Monaten. Die Antwortfristen wurden immer wieder überschritten, es fehlten Informationen oder wichtige Tabellen, wie jene zu Frage 4b, die die Verstöße im Detail auflistet. Zum Fehlen der Tabelle erklärt das Ministerium, das beruhe „wahrscheinlich auf einem Büroversehen und/oder einem EDV-Problem“.
Hintergrund:
Hier finden Sie die weiteren Anfragen der Landtags-Grünen zum Thema. Bezüglich der Überlastungsanzeigen bezieht sich das Ministerium auf die Anfrage Drs. 18/30638: