Tierkörper­beseitigungs­anlagen: Fragen & Antworten

Paul Knoblach | BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Paul Knoblach | BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

20 Prozent der Kühe, Schweine und Hühner sind in Bayern zwischen 2019 bis 2021 verendet, bevor sie geschlachtet wurden. Woher weiß man das eigentlich so genau? Wird jedes Tier, das es nicht bis zum Schlachthof schafft, dokumentiert?

Kein Landwirt möchte seine Tiere so halten, dass es ihnen schlecht geht. Gleichzeitig ist der wirtschaftliche Druck in der Tierhaltung aber enorm hoch. Es gab bereits einige Studien, die sich die verendeten Tiere bei den Tierkörperbeseitigungsanlagen angeschaut haben und zu ähnlichen Ergebnissen kamen wie in unserer Anfrage an die Staatsregierung – etwa 20% der geborenen Tiere werden sogenannte Falltiere.

Wie werden nun diese Zahlen erfasst? Von meinem Besuch in einer Tierkörperbeseitigungsanlage weiß ich, dass der ganz überwiegende Teil der Tiere, die bei der Tierkörperentsorgung landen, einzeln dokumentiert wird. Das liegt daran, dass die Kosten für die Entsorgung teilweise vom Freistaat, der Kommune und der Tierseuchenkasse erstattet werden. Sinnvoll wäre natürlich, sich die Tiere noch genauer anzuschauen, um zu wissen, woran sie tatsächlich verendet sind. So könnten wir die Situation dann schneller verbessern.

Liegt es an der Haltung? Was sind die Hauptdefizite?

Das ist ein Grund – gibt es aber auch weitere Ursachen, wie die Züchtung oder die individuelle Situation am Betrieb. Wenn wir uns beispielsweise die Schweine ansehen, die ganz regulär geschlachtet werden, dann weisen 80% dieser Schweine sogenannte Hilfsschleimbeutel in den Gelenken auf. Diese sind entzündlich und schmerzhaft und entstehen durch harte Spaltenböden, die in der konventionellen Mast verwendet werden. Das sagt eine Studie der LMU München.

Jedes Tier hat Grundbedürfnisse – wie wir Menschen auch. Ein Schwein möchte den ganzen Tag wühlen und nach Futter suchen. Aber das ist in der Massentierhaltung einfach nicht möglich. Zu viele Nutztiere heißt zu wenig Zeit für das einzelne. Ich arbeite aktiv für eine tiergerechte Haltung, die die Bedürfnisse berücksichtigt.

 Wie steht Bayern in Sachen Tierhaltung im Bundesvergleich da?

Die Tierhaltung ist in Bayern ein sehr wichtiger Betriebszweig. Die Milchviehhaltung zum Beispiel ist ganz typisch für unsere Kulturlandschaft.

Allerdings gibt es auch hier Verbesserungsbedarf. Das Bild von der bayerischen Kuh auf der Weide entspricht nicht mehr der Realität: Immer weniger Tiere stehen tatsächlich auf einer grünen Weide kommen: 2019 waren das im deutschen Durchschnitt etwa 30%, in Bayern nur erschreckenden 17%.[1] Auch bei der Anbindehaltung sind wir Schlusslicht. Und auch in Bayern stehen die allermeisten Schweine auf Spaltenböden, nur 1%[2] wird ökologisch gehalten. Da unterscheiden wir uns also nicht von anderen Bundesländern.

Es ist doch eigentlich schon längst bekannt, dass es an den Faktoren Platz, Bewegung, Ernährung und Züchtung liegt, oder?

Die Defizite sind bekannt und es geht darum, sie abzustellen. Das erwarten die Menschen in Bayern von der Politik. Natürlich ist die Aufgabe nicht leicht: Wir müssen versuchen, die Betriebe zu erhalten und gleichzeitig die Tierhaltung tierfreundlich zu machen. Landwirtschaft und Gesellschaft müssen diesen Weg gemeinsam gehen. Denn es muss auch in Zukunft noch hochwertige einheimische Tierprodukte geben.

Unser Grüner Bundes-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir arbeitet an dieser großen Herausforderung. Es gibt einige Konzepte, die von allen Beteiligten – Landwirtschaft und Tierschutz – gemeinsam entwickelt wurden. Alle Beteiligten gemeinsam sie gemeinsam umsetzen.

Ist Bio automatisch gut fürs Tier? Verenden auf Biohöfen weniger Tiere?

Dazu gibt es wenige Daten. Es gibt aber eine Reihe von Studien, die den Einfluss von bestimmten Merkmalen der Biohaltung auf die Tiere untersuchen. Biohaltung heißt: Weiche Liegefläche, damit weniger oder auch weniger schwere Verletzungen, mehr Platz, weniger Stress, robustere Rassen, Verbot von Kürzen von Schwänzen oder Schnäbeln – also mehr Tierwohl. Man kann also schon sagen, dass die Biolandwirtschaft die richtigen Rahmenbedingungen schafft und die Bedürfnisse unserer Tiere besser im Blick hat als die konventionelle.

In Deutschland gibt es ein freiwilliges Haltungsformsiegel auf Fleischprodukten. Stimmt es, dass, je besser die Haltungsform, desto besser auch die Lebenssituation der Tiere, dass also auch weniger von ihnen verenden?

Wichtig ist hier: Die Haltung ist das eine – und die Frage, wie die Landwirtin, der Landwirt ihre/seine Tiere versorgt ist das andere. Das „Haltungsformsiegel“ gibt eine ganz gute Orientierung, indem es uns zum Beispiel sagt, wie viel Platz das Tier hatte, wie es sich beschäftigen konnte

Hier muss man sagen, dass die Stufen 3 und 4 die Bedürfnisse der Tiere ganz gut befriedigen, denn sie bieten Kontakt zum Außenbereich und Beschäftigungsmaterial wie zum Beispiel Stroh, was sehr wichtig ist.

Wenn allerdings das Management Probleme hat, zeigt das das Siegel leider auch nicht. Wer es als Verbraucher ganz genau wissen will, der sollte sich über Höfe mit Direktvermarktung informieren. Wochenmärkte bieten so eine Möglichkeit. Da kann man dann nachfragen, ob die Tiere auf der Weide waren und wo sie geschlachtet wurden. Manche Betriebe kann man sogar vor Ort anschauen.

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag auf eine verbindliche Tierkennzeichnung verständigt. Wie muss diese aussehen?

Die Eckpunkte der Tierhaltungskennzeichnung wurden bereits vom Bundeslandwirtschaftsminister vorgestellt. Wichtige Punkte sind mehr Platz und Zugang zur Außenluft. Darüber hinaus ist eine Strukturierung der Ställe gefordert, so dass es verschiedene Lichtbereiche oder abgeschirmte Liegebereiche gibt.

Wie soll eine Tiergesundheits-Datenbank aussehen?

Ganz wichtig: Der Kern der Tiergesundheitsdatenbank ist die Vorsorge. Sie dient also dem Schutz der Tiere und nicht der Strafe der Landwirte.  Die Tiergesundheitsdatenbank wäre eine wichtige Hilfestellung für die Tierschutzkontrolle der Behörden. Sie ist auch eine langjährige Forderung der Bundestierärztekammer, also des Verbands der deutschen Tierärzte.

Dabei sollen Daten genutzt werden, die bereits jetzt erfasst werden – die Befunde eignen sich gut, um die Tiergesundheit und das Tierwohl in einem Betrieb rückwirkend zu beurteilen. Auch die Behandlungshäufigkeit mit Antibiotika gibt Aufschluss über die Gesundheitssituation an einem Hof. Es würde also Sinn machen, diese Daten zentral und digital zu erfassen.

Die Beratung und Kontrolle könnten dann zielgerichtet stattfinden.

Wer soll die Einhaltung der Tiergesundheits-Standards kontrollieren?

Die Überwachung des Tierschutzes obliegt den Behörden der Bundesländer, das sind in der Regel die Kreisverwaltungsbehörden und für große Betriebe in Bayern die KBLV. Diese Kontrollen könnten mit einer Tiergesundheitsdatenbank zielgerichteter durchgeführt werden.

Der Appell an die Verbraucher lautet ja immer, weniger Fleisch, dafür hochwertiger. In Zeiten einer so hohen Inflation wie jetzt gerade werden sich das Leute mit kleinerem Geldbeutel gut überlegen, ob sie zum teuren Biofleisch oder doch lieber zur günstigen Supermarktware greifen? Was raten Sie denen?

Uns Grünen und auch mir persönlich ist klar, dass die geringen Einkommen ein großes sozialpolitisches Problem darstellen. Wir müssen alles dafür tun, dass betroffene Menschen und Familien hier ein entsprechendes Sicherheitsnetz bekommen. Das eine darf auf keinen Fall gegen das andere ausgespielt werden.  Für Personen mit geringen Einkommen sollte ein Ausgleich geschaffen werden.

Viel Arbeit, Energie und Futter werden für die Produktion von Fleisch verwendet – dafür ist Fleisch momentan relativ günstig. Darüber hinaus geben wir relativ wenig für unser Essen aus, im Vergleich zu anderen Ausgaben des täglichen Lebens.

Dennoch verstehe ich natürlich Verbraucher*innen, die auf jeden Euro schauen müssen. Wenn man trotzdem Fleisch aus besserer Tierhaltung kaufen möchte, kann man sich im Kühlregal genauer anschauen, bei welchen Produkten die Preisunterschiede nicht so hoch sind. So ist zum Beispiel der Preisunterschied bei ökologisch erzeugter Wurst nicht so groß. Hier muss jeder selbst abwägen und nach Alternativen suchen, das ist eine individuelle Entscheidung.


Quellen:

[1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/08/PD21_N051_41.html

[2] https://www.statistik.bayern.de/mam/produkte/biz/z1000g_201708.pdf

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