Knoblach: Kälber müssen besser versorgt werden

Grüne Landtagsfraktion veranstaltet Expert*innen-Runde

Kälber aus bayerischen Milchviehbetrieben stehen aus mehreren Gründen im Fokus. Zum einen, weil die frühe Trennung von Kuh und Kalb in der Gesellschaft immer kritischer gesehen wird. Aber auch, weil sich bei der Aufzucht und beim Handel mit Kälbern große Probleme auftun. Genannt seien hier vor allem Probleme bei der Kälberhaltung im Inland und Kälbertransporte ins Ausland, die wegen der katastrophalen Bedingungen auf dem Weg in weit entfernte Länder außerhalb der EU purer Stress für die Tiere sind.

Bei einer von der bayerischen Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen veranstalteten digitalen Gesprächsrunde mit der Frage „Ballast oder Chance?“ als Motto diskutierten Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen über die Wertschätzung und Wertschöpfung von Kälbern aus der Milchviehhaltung. In seinem Eingangsstatement ging der Schweinfurter Biolandwirt und Tierwohlsprecher der Grünen Landtagsfraktion, Paul Knoblach, auf die aktuell kaum vorhandenen Möglichkeiten für Landwirte in Bayern ein, Kälber aus der Milchviehhaltung regional und artgerecht aufzuziehen. Knoblach wörtlich: „Noch immer gibt es zu viele Kälber in Bayern, die nicht ausreichend versorgt sind.“ Dies gelte für konventionelle Betriebe genauso wie für die Biokolleg*innen. Mehr Kälber in den regionalen Wertschöpfungsketten halten und tiergerecht aufziehen, um somit grausame Transporte zu vermeiden, war dem Motto entsprechend dann auch das Kernthema der Runde.

Dr. Ingrid Lorenz vom Tiergesundheitsdienst Bayern warf einen Blick auf die Kälbergesundheit im Freistaat. Dabei ging sie auf die im Rahmen des Transportalters häufig diskutierte „immunologische Lücke“ ein. Diese Lücke sei nicht natürlichen Ursprungs sondern sei menschgemacht. Sie entsteht durch eine schlechte Versorgung der Kälber in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt und resultiert beispielsweise oft in Durchfall . Kälber erhalten also zu wenig Biestmilch nach der Geburt und im Anschluss zu wenig Milch, um satt zu werden. Das schade der Gesundheit und der Leistung der Kälber nachhaltig.

Die weiteren Expert*innen und Praktiker*innen stellten verschiedene Projekte der Kälbervermarktung vor. In Bayern ist die Rasse Fleckvieh noch weit verbreitet, was einen großen Vorteil gegenüber Nord- und Ostdeutschland bedeutet, wo spezialisierte Rassen vorherrschen. Fleckvieh eignet sich nämlich sowohl für die Milcherzeugung wie auch für die Mast, jedoch werden die hier vorhandenen Ressourcen noch nicht ansatzweise genutzt – weder im Biobereich noch bei konventionellen Betrieben.

Laut Hubert Heigl, Vorsitzender der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern und Präsidenten von Naturland, gingen mehr als die Hälfte der Biokälber in die konventionelle Vermarktung. Dies bedeutet, dass sie konventionell gemästet werden, oft im Ausland. Gründe dafür seien unter anderem die geringe Nachfrage nach Biokalbfleisch und die hohen Kosten in der Aufzucht von Biomilchviehkälbern – insbesondere im Vergleich zu Absetzern aus der Mutterkuhhaltung. Lösungsmöglichkeiten sieht Heigl in Kooperationen von Milchvieh- und Mutterkuhhaltern, um die Kälber mit Ammen aufzuziehen und die Wertschöpfung in der Mutterkuhhaltung zu erhöhen. Auch eine Quersubventionierung der Bullenkälber über die Bio-Milchprodukte sei denkbar. Der Konsument müsste für Milchprodukte wenige Cent mehr bezahlen – für die Aufzucht der Kälber. Ähnlich kennt man es bereits bei den Eiern und den Bruderhähnen. Dazu fänden bereits Gespräche mit Molkereien statt. Auch über eine staatliche Bruderkalb-Prämie für Kälber, die in Bayern gehalten und aufgezogen werden, müsse die Politik nachdenken.

Ergänzend dazu stellte Rolf Holzapfel von den Demeter HeuMilch Bauern das Programm „Zeit zu zweit“ vor, das die kuhgebundene Aufzucht für Kälber von Milchkühen vorschreibt. „Wir haben ein Systemproblem: Die Milchverarbeiter kümmern sich nicht um das Fleisch der Tiere. Und die Fleischverarbeiter interessieren sich nicht für das Fleisch aus den Milchviehbetrieben,“ konstatierte Holzapfel. Das sah auch Beate Reisacher aus der Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten ähnlich: „Milch und Fleisch gehören bei der Vermarktung zusammen.“ In dem von ihr präsentierten Projekt „Allgäuer Hornochse“ werden das Fleisch und die Wurstprodukte von Kälbern aus Milchviehbetrieben vermarktet, welche in extensiver Weidemast aufgezogen wurden.

Dr. Kerstin Barth (Johann Heinrich von Thünen-Institut) sprach über die Kuhgebundene Kälberaufzucht und die Folgen für Kalb, Kuh und Landwirt*innen. Sie hob unter anderem hervor, dass Verbraucher*innen Wert darauf legten, dass die Kälber direkt bei den Müttern und nicht bei Ammen aufwachsen. Mareike Herrler (Universität Hohenheim) sprach über das Projekt WertKalb und nahm die Wertschöpfung von Kälbern aus der biologischen Milchviehhaltung in den Fokus. Weil bereits bestehende Güte-Siegel überwiegend unbekannt seien, müsse noch sehr viel Zeit in die Aufklärung der Verbraucher*innen investiert werden. Theresa Hautzinger (HS Weihenstephan Triesdorf) stellte das Projekt mehrWERT vor, welches seit 2021 die Situation bayerischer Kälber aus Milchviehbetrieben und die damit verbundene Biomilch- und Rindfleischproduktion untersucht. Sie erläuterte erste Forschungserkenntnisse und betonte das hohe Interesse von Seiten der Landwirt*innen für die Kälberaufzucht.

Ergebnis der von erfreulich vielen Fragen des Online-Publikums begleiteten Veranstaltung: Für den Großteil unserer Bayerischen Kälber besteht dringender Handlungsbedarf, wenngleich auch schon einiges Gutes getan wird. Nötig sind aber eine bessere Versorgung der Kälber mit Biestmilch und Milch, neue tiergerechte Vermarktungswege und wichtig ist auch, dass die Kälber länger bei der Kuh bleiben können. Das zumal, weil viele Konsument*innen die frühe Trennung von Kuh und Kalb nach der Geburt ablehnen. Manche suchen sogar gezielt nach Produkten aus kuhgebundener Aufzucht. In den meisten Läden gibt es die aber noch nicht.

Im nächsten Landwirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtags wird der von Paul Knoblach kürzlich gestellte Antrag zur kuhgebundenen Aufzucht bayerischer Kälber aus Milchviehbetrieben diskutiert. Darin fordert er namens der Grünen Landtagsfraktion die Staatsregierung auf, ein eigenes Förderprogramm für die kuhgebundene Aufzucht von Kälbern aus der Milchviehhaltung aufzulegen. Denn die kuhgebunden Aufzucht erfordert Veränderungen in den jetzigen Abläufen an den landwirtschaftlichen Betrieben, die wir gezielt unterstützen wollen.

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