Die bayerischen Grünen lassen sich von den Attacken und Falschbehauptungen vor allem von CSU, Freien Wählern und der AfD nicht beirren und wollen im Landtags-Wahlkampf mit „ihren“ Themen punkten. Den Klimaschutz, die erneuerbaren Energien und die gleichen Bildungschancen für alle Kinder stellten die beiden Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann denn auch am Freitagabend auf dem Schweinfurter Georg-Wichtermann-Platz in den Mittelpunkt ihres bejubelten Auftritts. Vor mehreren hundert Zuhörern gab es bei der zentralen Großveranstaltung der Grünen in Unterfranken aber auch viel Beifall für den Schweinfurter Direktkandidaten und amtierenden MdL Paul Knoblach. Der Kabarettist und Autor Christian Springer rechnete als Überraschungsgast bei seinem fulminanten Auftritt neben Ministerpräsident Söder vor allem mit Hubert Aiwanger ab. Springer nannte Aiwanger einen „Vergewaltiger der Demokratie und Meinungsfreiheit“.
Auch Knoblach ging auf Aiwanger ein, nannte es skandalös, dass er trotz des Hetzflugblatts und vor allem seines katastrophalen Umgangs damit immer noch Bayerns Vize-Chef sein darf. Für den Biolandwirt aus Garstadt ist Aiwanger aber nicht nur als rechter Populist gefährlich, sondern auch in Sachen Klimaschutz. Knoblach spielte hier auf eine Aussage Aiwangers zum Green Deal an, in dem vereinbart ist, dass in der Landwirtschaft künftig weniger Pestizide eingesetzt werden müssen. Aiwanger hatte geäußert, genau das zu verhindern. „Und das, obwohl unsere Böden, Seen und Flüsse mit Pestiziden, wozu auch Glyphosat zählt, immens belastet sind“.
Nicht viel anders sei es bei Söder, wenn „ausgerechnet der größte Umweltschützer aller Zeiten den Grünen vorwirft, bei der Energiepolitik nur an die alte Partei-Ideologie, weniger an das Gemeinwohl der Bevölkerung zu denken. „Keiner weiß, wie es dem Baum geht, den er umarmt hat“, sagte Knoblach unter viel Beifall. Die aktuellen Naturkatastrophen in ganz Europa zeigten, dass die Klimakrise längst da ist. Insofern sei das Reden und Handeln von CSU und Freien Wählern „eigentlich zum Verzweifeln, aber ich verzweifle nicht, ich werde ganz im Gegenteilgerade trotz der inhaltlich oft kruden Attacken mit Leidenschaft weiterkämpfen – für eine intakte Umwelt und damit für die vielen vernünftigen Menschen in unserer Region“.
Als Biolandwirt und langjährigem Verantwortlichen im ökologischen Landbauverband Naturland liege ihm der Natur- und Artenschutz im Übrigen genauso am Herzen wie das Tierwohl. Die zuletzt in den Schlachthöfen Aschaffenburg und Miltenberg aufgedeckte Tierquälerei nannte Knoblach nicht hinnehmbar. Die Grünen wollen eine umweltverträgliche Landwirtschaft und Tierhaltung, die an den Bedürfnissen der Tiere ausgerichtet ist und nicht am Profit.
Knoblach wie später Hartmann und Schulze forderten die Staatsregierung auf, den aufgrund der gerade in unserem Landstrich eklatant großen Trockenheit entstandenen Wassermangel endlich ernst zu nehmen. Ende Juni hatten fast die Hälfte der Grundwasser-Mess-Stellen im Freistaat niedrige oder sehr niedrige Werte gemeldet. „Wir Grüne haben Ideen, wir haben ein Wassersicherungsgesetzes eingebracht, wir fordern mehr und größere Wasserschutzgebiete, wir fordern einen Wassercent für die Entnahme von Grundwasser, den es in fast allen Bundesländern gibt, nur nicht in Bayern“, so Knoblach.
Einmal mehr thematisierte der Garstadter Biobauer auch den nach wie vor ungebremsten Flächenfraß von über 11 Hektar zubetonierten, asphaltierten und versiegelten Flächen jeden Tag. Als gravierendes Beispiel nannte der das geplante Einkaufszentrum in Oberndorf, dem 3,5 Hektar landwirtschaftliche Fläche geopfert werden sollen. Der Grüne MdL forderte dazu auf, das Bauvorhaben beim gleichzeitig am Landtagswahltag im Oktober stattfindenden Bürgerentscheid abzulehnen. Knoblach erinnerte hier an eine von den Grünen im Landtag eingebrachten Gesetzesinitiative, die beim täglichen Flächenverbrauch eine verbindliche Höchstgrenze von nur noch fünf Hektar vorsieht. Er forderte in diesem Zusammenhang auch, die Finger von der grünen Luftschneise am Gottesberg in Schweinfurt zu lassen. Statt Baugebiet lasse sich mit wenig Geld ein Klingenbrunn-Stadtpark schaffen.
Der grüne Kandidat will „weiterkämpfen für einen Nationalpark im Steigerwald, den eine große Mehrheit will, weiterkämpfen für eine Reaktivierung der Werntal-, der Mainschleifen- und vor allem der Steigerwaldbahn“. Zuletzt rief er unter erneut großen Beifall alle Demokraten zu einer gemeinsamen Anstrengung mit dem Ziel auf, die Neonazis vom Dritten Weg in Schweinfurt und auch anderswo loszuwerden. Achtzugeben gelte es aber auch auf die AfD, die sich in die gleiche bedenkliche Rechts-außen-Richtung bewegt.
Die Grünen wollen die Zukunft gestalten und diese Zielvorgabe drückte sich auch durch das Motto der Wahlkampf-Tour aus, das unübersehbar auf der Bühne am Wichtermann-Platz prangte: „Hol dir die Zukunft zurück.“ Bayern soll, wenn es nach den Grünen geht, zu einem Vorzeigeland in Sachen erneuerbare Energien werden. „Die Klimakrise ist da und wird in einem nie dagewesenen Tempo zur Klimakatastrophe, weshalb sich Bayern weitere fünf Jahre Stillstand schlicht nicht mehr leisten kann“, sagte Hartmann. „Es gab nie mehr Gründe, die Grünen zu wählen“, konstatierte Schulze. Beide Spitzenleute stellten sich abschließend den Fragen aus dem Publikum. Eine Gruppe offensichtlich aus der Querdenker-Szene hatte u.a. mit Trillerpfeifen auch dank der Polizeipräsenz weitgehend erfolglos zu stören versucht. Zum Zeitpunkt der Fragerunde hatten sie sich schon verabschiedet. Mit Rock-Pop-Oldies sorgte die Band all4music am Anfang und Ende für Stimmung.
Weitere Informationen finden Sie auch im Artikel „Schelte für Söders Aiwanger-Politik: Grüne geben sich in Schweinfurt vor der Landtagswahl kämpferisch“ der Mainpost.