Steigerwaldbahn: Landtagsfraktion verlangt Fahrgastzahlenberechnung nach reformierter Methodik
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag sieht ihre Zweifel am Gutachten der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) zum Fahrgastpotenzial auf der Steigerwaldbahnstrecke nach der aktuellen Einsicht in die BEG-Analyse in keiner Weise ausgeräumt. Im Gegenteil wirft das Zustandekommen der Prognose weitere neue Fragen auf, erklären der verkehrspolitische Sprecher Markus Büchler (München) und sein Schweinfurter Abgeordnetenkollege Paul Knoblach in einer Pressemitteilung. Nach vorherigem Protest wurde den beiden MdL das Gutachten im Schreyer-Ministerium in München kürzlich doch präsentiert, laut Grünen-Mitteilung unter Aufsicht mehrerer Mitarbeiter des Verkehrsministeriums und der BEG.
Kritisch sehen die beiden Landtagsabgeordneten, dass die Parameter der sogenannten „Standardisierten Bewertung“ in die Berechnung des Fahrgastpotenzials einberechnet wurden, um zu ermitteln, wie sehr der aufgrund gut ausgebauter Straßen schnellere Autoverkehr das Fahrgastpotenzial schmälert. Dieses Verfahren sei allerdings für Projekte in Ballungsräumen entwickelt worden und deshalb für den ländlichen Raum völlig ungeeignet. Erstaunlicherweise fehlten im BEG-Gutachten detaillierte Zahlen zu den Einkaufsverkehren, Arzt- und Behördenbesuchen und vor allen Dingen zum Tourismus. „Deshalb zweifeln wir das von der BEG errechnete Fahrgast-Potenzial von nur 563 Personenkilometern mehr denn je an“, erklärt Knoblach.
Büchler weist darauf hin, dass diese „allgemein stark kritisierte Standardisierte Bewertung“ vom Bundesministerium derzeit überarbeitet werde, weil künftig auch Faktoren wie der so wichtige Klimaschutz, touristische und räumliche Erschließungswirkung berücksichtigt werden sollen. „Wir bestehen deshalb darauf, dass mit der in den nächsten Wochen erscheinenden reformierten Bewertungsmethodik nachgerechnet wird,“ so die beiden MdL.
„Auch eine Prognose von deutlich mehr als 500 Fahrgästen, die mit neuen Parametern sicher noch höher ausfallen wird, entspricht zwar nicht den Verhinderungskriterien der CSU, aber sie ist so hoch, dass Reaktivierungsvorgaben anderer Bundesländer erfüllt wären. Deshalb dürfen die Gleise nicht herausgerissen werden, sondern müssen für die Zukunft und dann hoffentlich veränderte Kriterien gesichert werden,“ erklärt Büchler.
In diesem Zusammenhang erinnern Knoblach und Büchler an die zwei schon vorhandenen Gutachten, die beide deutlich über der bayerischen Grundvoraussetzung von mindestens 1000 Personenkilometern liegen. Knoblach und Büchler nennen außerdem Beispiele „sehr erfolgreich wiederbelebter Bahnstrecken“ im Nachbarland Baden-Württemberg. Für die Strecke Böblingen-Dettenhausen seien 2500 Fahrgäste täglich prognostiziert worden. Heute benutzen die 17 Kilometer lange Schönbuchbahn täglich über 7400 Fahrgäste. Für die Ammertalbahn, 21 Kilometer lang, von Tübingen nach Herrenberg wurde vor der Reaktivierung 1999 mit 700 Fahrgästen gerechnet. Mittlerweile sind es 9000 Fahrgäste pro Werktag. „Die Zahl der Bahnfahrer steigt seit Jahren kontinuierlich“, sagt Knoblach und verweist hier auf die Erfolgsgeschichte der wieder geschaffenen Bahnhalte in Oberwerrn und Schonungen im Landkreis Schweinfurt. Wenig verwundert sei er deshalb über die Rufe aus den Haßbergen nach Reaktivierung stillgelegter Bahnhöfe.
Für die weiterhin negative Haltung der Bürgermeister entlang der Steigerwaldbahnstrecke, ausgedrückt in einem gegen ihn gerichteten Offenen Brief, hat der Schweinfurter MdL deshalb kein Verständnis. „Wer kurz nach der Bundestagwahl nach dem deutlich ausgedrückten Ruf der Bürger nach einer Verkehrswende noch immer gegen die Wiederbelebung einer intakten Bahnstrecke ist, der denkt zu kurz und wird seine Quittung noch bekommen“, so Knoblach. Glücklicherweise sieht es derzeit eher danach aus, dass die Betriebsgenehmigung für die Thüringer Eisenbahn, die im Nachbarland bereits erfolgreich mehrere Bahnstrecken betreibt, bald erteilt wird.
Die Mitteilung der Grünen schließt mit dem Hinweis, dass BEG-Vertreter Ende Oktober/Anfang November ihr viel kritisiertes Gutachten vor den Kreistagen Schweinfurt und Kitzingen und dem Stadtrat Schweinfurt erläutern wollen. Kritische Nachfragen sind dazu laut Knoblach sicher.