Beim Gottesdienst in der Christuskirche in Schweinfurt am 19. Oktober 2025 hat sich der Landtagsabgeordnete Paul Knoblach (Bündnis 90/Die Grünen) ins Stammbuch eingetragen. In der traditionsreichen Reihe standen schon viele prominente Redner auf der Kanzel des Gotteshauses auf der Maibacher Höhe.
Hier die Stammbuch-Rede von Paul Knoblach im Wortlaut:
Heute, fast auf den Tag genau vor sieben Jahren, da hat sich mein bisheriges Leben komplett verändert. Es war ein schöner Herbsttag und deshalb war ich draußen auf meinem Acker und saß auf meinem alten Traktor – Dinkel aussäen – als mich der Anruf des Tagblatt-Redakteurs Josef Schäfer erreichte. Gratulation, lieber Herr Knoblach zum Landtagsmandat.
Ich, der Biobauer aus Garstadt und mit Platz 12 ein eigentlich aussichtloser Listenkandidat soll es in den Bayerischen Landtag geschafft haben? Das konnte ich einfach nicht glauben. Und ich bestätige heute auch hier in der Christuskirche: Die Nachricht hat mich tatsächlich fast vom Traktor gehauen.
Aber, wie gesagt, mein Leben ist seitdem umgekrempelt. Ich erlebe bis heute Dinge, die für mich eigentlich unvorstellbar waren. Zum Beispiel bei Veranstaltungen immer in der ersten Reihe sitzen zu müssen. Oder als Alterspräsident den Landtag eröffnen. Oder das heute hier in der Christuskirche. So viele sehr bekannte Menschen haben auf der Maibacher Höhe ihrer Kirche schon ins Stammbuch geschrieben, Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein, des soziale Gewissen der CSU Barbara Stamm, auch der Kabarettist Volker Heißmann fallen mir ein.
Erwähnen will ich auch den von mir geschätzten, 2018 verstorbenen Fritz Roßdeutscher. Er hat frühzeitig vor der Klimakrise gewarnt und sich als Bürgermeister von Schwebheim für den Erhalt der Natur eingesetzt. Ich habe das auch in Bergrheinfeld versucht, viele Jahre als Gemeinderat in der Fraktion der CSU, ohne Parteimitglied zu sein. Irgendwann war ich dann vom Weg dieser Partei nicht mehr überzeugt, was viel mit Herbert Gruhl zu tun hatte, als Bauerssohn auch er ein Mann der Scholle.
Gruhl saß für die CDU im Bundestag, aber im Herzen war er schon ein Wegbereiter der Grünen, als es die Grünen noch gar nicht gab. Er gründete den BUND mit, kritisierte schon in den 1970ern die Kernenergie, die auch ich immer abgelehnt habe und das noch heute tue, weil die Zwischenlager zu gefährlichen Endlagern geworden sind.
Interessiert leider kaum mehr jemand, obwohl in den Castor-Behältern vor unserer Haustüre Hochbrisantes lagert, das unser Leben, ja die Schöpfung gefährdet. Ein Thema fürs rührige Special-Team der Christuskirche?
Die Augen geöffnet hat mir Gruhl allerdings mit seinem Buch „Ein Planet wird geplündert“. Er prangert darin den Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen durch immer mehr Wirtschaftswachstum an. Seine Forderungen haben mich den Entschluss fassen lassen, den von meinen Eltern übernommenen Hof auf Biolandbau umzustellen. 1992 war das, da galt man als Biobauer noch als Exot. Ich habe mich sofort auch im Ökolandbauverband Naturland engagiert, auch später als dessen Präsident, weil ich eine Landwirtschaft ohne Gentechnik wollte, ohne Mittel, die das Artensterben vorantreiben und das Trinkwasser belasten.
Die Verantwortung für gute Lebensmittel, die Achtsamkeit gegenüber unseren natürlichen Lebensgrundlagen und ein respektvoller Umgang mit den Tieren in der Landwirtschaft, das ist bis heute mein Credo. Meine Grüne Landtagsfraktion hat mich deshalb auch in der nun zweiten Amtsperiode zum Tierwohlsprecher bestimmt.
Prägend waren für mich einige weitere kritische Kirchenmänner. Eugen Drewermann, der für eine gewaltfreie Völkerverständigung warb, der sich für den Dialog zwischen Religionen und Naturwissenschaften einsetzte und der sich in seiner Ethik gegen die Vorstellung gewendet hat, Tiere seien dem Menschen untergeordnet.
Leonardo Boff und Helder Camara. Beide in Brasilien geboren und profilierte Vertreter der Befreiungstheologie. Der katholische Theologe Boff hat Zeit seines Lebens versucht, die Kirche auf die Verteidigung der Menschenrechte für die Armen und die Ökologie zu verpflichten. Auch Câmara kämpfte für die Menschenrechte. Sein Einfluss, zuletzt als Erzbischof, war in Rom bis in das Zweite Vatikanum (1962–1965) spürbar, das unter anderem die Hinwendung der Kirche zu den Armen und Unterdrückten bekräftigte.
Und schließlich Jorge Mario Bergoglio. Der in Argentinien geborene Jesuit hat sich nach seiner Wahl zum Papst im Jahr 2013 Franziskus genannt. Sein Tod liegt noch gar nicht so lange zurück, gestorben ist er am 21. April 2025. Geblieben ist die von ihm die zwei Jahre nach seinem Amtsantritt verfasste „Enzyklika Laudato si“.
In den 246 (!) Thesen dieser Enzyklika geht es viel um den Schutz der Umwelt und die auch mir so bedeutsame Bewahrung der Schöpfung. These 14 ist dabei meine Lieblings-These: „Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln interessieren und betreffen uns alle“.
Jetzt das Aber. Beim Natur- und Umweltschutz waren wir in unserem Land schon mal viel weiter. Seit dem Ausscheiden der Grünen aus der Bundesregierung spielen Natur, Umwelt, Klimawandel keine Rolle mehr, obwohl das angesichts der fortschreitenden Klimakrise dringlicher denn je wäre. Auch das wäre es mal wert, in einem Special der Christuskirche näher betrachtet zu werden.
Neben dem Klimaschutz treibt mich als nicht minder wichtiges zweites Thema die Gefährdung unserer Demokratie um. Franziskus hat frühzeitig das Miteinander und das Gespräch gefordert, das uns alle zusammenführt. Das ist im Moment aber ein großes Problem. Es wird gebrüllt, gehetzt, gelogen.
Sorgen macht sicher nicht nur mir das Erstarken rechter Kräfte. Nach dem Studium der Ergebnisse der Bundestagswahl in diesem Jahr im Wahlkreis Schweinfurt war ich, ja was? Entsetzt, aber auch niedergeschlagen. In den Stadtlauringer Ortsteilen Sulzdorf und Oberlauringen lagen die rechtsextremen von der AfD vor der CSU. In den einst roten Hochburgen in Schweinfurt weht einem jetzt das braune Blau ins Gesicht.
Auch in Schweinfurt droht also dieses Unheil und wieder sind es wie 1933 Nationalsozialisten und Faschisten, die auf jeden Fall keine Alternative für Deutschland sind. Die fortschreitende Radikalisierung ist längst zu einem brandgefährlichen Feind unserer Demokratie geworden, Hass wird verbreitet und auch Umweltprobleme bis zur Gleichgültigkeit geleugnet.
So hat das Papst Franziskus in seiner These Nummer 14 auch beschrieben. Man muss leider sagen: er hatte eine Vorahnung. Mich als Christen, der sicher nicht perfekt ist, bedrückt es jedenfalls, dass namhafte Politiker aus der Partei mit einem C im Namen ernsthaft glauben, die AfD einfangen zu können, indem sie deren Positionen übernehmen. Die nicht aufhören, vor allem uns Grüne zu diffamieren, zu beleidigen, runterzumachen.
Als Alterspräsident habe ich zum Auftakt der noch bis 2028 laufenden Legislaturperiode im Landtag gesprochen und dazu aufgerufen, miteinander statt übereinander zu reden, sich gegenseitig zuzuhören, weil das die Demokratie und ein wertschätzendes Miteinander ausmacht. Zusammenhalten und Brücken bauen, statt sie einzureißen. Mein Kernsatz war: Wir ernten, was wir säen.
Markus Söder saß damals im Landtag, zugehört hat er mir aber scheinbar nicht. Auch nach dem Ampel-Aus macht er wie zuletzt beim Gillamoos einfach weiter – contra Grüne und contra Migranten. Was will er denn mit dem Satz sagen, dass sich „das Stadtbild wieder verändern muss“? Ein gefährlicher Satz ist das und sicher nicht nur so dahin gesprochen.
Auch die Kirche hat sich Söder kürzlich gehörig vorgeknüpft, weil sich Kirchenvertreter sehr zu Recht kritisch über den Kurs der Union in der Migrationspolitik geäußert haben. Ich zitiere Söder: „Nicht vergessen, wer am Ende noch an der Seite der Institution Kirche steht – das sind nämlich wir. Nicht, dass man irgendwann ganz plötzlich alleine steht. Denkt mal drüber nach!“ (Zitat Ende). Der Ministerpräsident von Bayern spricht von Treue der Kirche, er meint aber Gehorsam. Für mich ist das fragwürdiges Kirchenverständnis.
Was mir fehlte? Ein lauter Aufschrei der Kirche. Einzig den heutigen Vorsitzenden des Weltkirchenrates, Heinrich Bedford-Strohm, der auch schon mehrfach hier in der Christuskirche zu Gast war, habe ich mit deutlichen Worten in Erinnerung: „Kirchen haben nicht die Aufgabe, den politisch Verantwortlichen nach dem Munde zu reden. Sie würden damit die Sache, für die sie stehen, im Kern verraten“.
Ich sage zum Abschluss meiner Stammbuchrede deshalb ganz bewusst: Eine demokratische Gesellschaft braucht die Kirchen, weil sie sich besonders für die Schwachen und Verletzlichen einsetzen. Sie braucht sie, weil sie sich durch das Aussprechen von auch unbequemen Wahrheiten am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen, nur auf diese Weise aber auch zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen. Die Kirche muss ihre Meinung offen sagen dürfen, zu allen Themen, auch den Politischen.
Die Christuskirche Schweinfurt sagt ihre Meinung. Und das ist gut so. Sie sagt sie in den Gottesdienst-Specials mit einem bunten Spektrum an Themen und Gästen. Als Beispiel nenne ich das beeindruckende Projekt „Sie lebten mitten uns“ der Initiative gegen das Vergessen über die Schicksale der 75 von Nazis ermordeten 75 Schweinfurter Juden. Es nahm hier seinen Anfang.
Sie sagt ihre Meinung offen in Person von Pfarrer Weich im Steuerungskreis von Schweinfurt ist bunt. Am 22. Oktober sprechen unter dem Dach dieses Bündnisses für Demokratie und Toleranz im Rathaus die beiden renommierten Rechtsextremismusforscher Mathias Quent und Philipp Hildmann. Ich habe ihr Kommen initiiert. Gehen Sie hin.
Vor zwei Wochen habe ich die vom Freundeskreis Asyl Hofheim erstellte Ausstellung „Gesichter mit Geschichte“ besucht. Zu sehen sind 33 Schwarz-Weiß-Portraits von Menschen mit und ohne Fluchterfahrung, die heute integriert in unserem Nachbarlandkreis leben. Diese Ausstellung gibt Antworten auf die so oft gestellten Fragen, was Heimat bedeutet, wie ein Miteinander gelingt, wenn Menschen mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen, Sprachen und Lebenswegen aufeinandertreffen. Die Hofheimer suchen auch einen Ausstellungsort in Schweinfurt. Ich vermittle das gerne hierher an die Christuskirche. Ich trage auch das mal ins Stammbuch ein.
Ich habe mit einem Traktor begonnen, und ich ende damit. Vor wenigen Tagen habe ich bei der Amtseinführung von Vikar Dr. Solomon Etonu in die Pfarrgemeinschaft Marienbachtal in Hambach gesprochen. An seiner letzten Wirkungsstätte in Wasserlosen hatte Pater Salomon eine Bulldog-Segnung durchgeführt. Ich habe darauf hingewiesen und angeregt, eine solche Segnung auch in Hambach zu veranstalten. Im Gegenzug würde ich, so mein Versprechen, mit Solomon nach der Segnung meines mittlerweile neuen Traktors mit ihm durch Hambach fahren. Und weil die Christuskirche ja auf dem Weg liegt, lade ich Sie, werter Pfarrer Weich ein, mit mir gemeinsam nach Hambach zum Seelsorge-Bruder zu tuckern, ich sehe das als meinen Beitrag zur Ökumene und dem so wichtigen Miteinander. Und: Runterfallen werden wir sicher nicht. Dafür sorge ich schon.