Anfrage: Kälbertransporte

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Paul Knoblach der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 07.09.2020

inklusive

Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Fragen 3.1, 3.2, 3.3, 4.1 und 4.2) vom 05.10.2020 [kursiv dargestellt]

Kälbertransporte

Nicht-entwöhnte Kälber sind noch nicht oder noch nicht ausreichend imstande, sich von Festfutter zu ernähren. Ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit sind davon abhängig, dass ihnen in geeigneter Menge und ausreichender Häufigkeit Milch oder Milchaustauschertränke zur Verfügung gestellt wird. Sie sind auf die Fürsorge ihrer Mütter oder menschlicher Betreuer unbedingt angewiesen. Nur Milch oder Milchaustauscher, nicht aber Wasser oder Elektrolytlösung, können den physiologischen Bedürfnissen nicht-entwöhnter Kälber, die auf Langstreckentransporten transportiert werden, gerecht werden. Darüber hinaus muss die Tränke den Kälbern in geeigneter Weise, in der Regel über den Kälbern vertraute, verformbare Gumminippel und in angemessener Temperatur zur Verfügung gestellt werden.

Nach Aussagen von Fachleuten ist die Tränkung nicht-abgesetzter Kälber mit Milchaustauschertränke oder Milch in den derzeitigen Tränkesystemen der Transportfahrzeuge nicht möglich. Langstreckentransporte nicht-abgesetzter Kälber aus Bayern sind daher quasi zum Erliegen gekommen, jedoch nicht ganz.

Daher frage ich die Staatsregierung:

    1. Wie viele Transportfahrzeuge sind in Bayern für den Langstreckentransport von Kälbern zugelassen?
    2. Welches Tränkesystem besitzt das/die in Bayern für den Langstreckentransport von Kälbern zugelassene Transportfahrzeug/e?
    3. Wie wird die Tränke der Kälber mit Milchaustauschertränke oder Milch in dem/den zugelassenen Transportfahrzeug/en sichergestellt?
      Die Fragen 1.1, 1.2 und 1.3 werden zusammen beantwortet:
      Es gibt kein einheitliches Tränkesystem und keine „Fertigsysteme“ für die Ausrüstung von Fahrzeugen (und Anhängern) für den Transport von Kälbern.
      Die Ausgestaltung der jeweils verwendeten technischen Lösungen zum Tränken von Saugkälbern auf langen Transporten muss den tierschutzrechtlichen Anforderungen entsprechen. Das Tränkesystem auf dem in Bayern zugelassenen Fahrzeug (Stand  15.09.2020) wurde nach der Maßgabe entwickelt, dass die Kälber auf dem Fahrzeug entsprechend ihrem angeborenen Saugverhalten während der Fahrtpause versorgt werden können.
    1. Wie wird sichergestellt, dass jedes in diesem/diesen Fahrzeug/en transportierte Individuum an das Tränkesystem gewöhnt wird?
      Das Tränkesystem entspricht der in den Herkunftsbetrieben praktizierten täglichen Tränkmethode aus Tränkeeimern.
    2. Wie wird sichergestellt, dass jedes in diesem Fahrzeug transportierte Individuum während des Transports eine ausreichende Menge an Futter zu sich nimmt?
      Auf dem Fahrzeug dürfen nur so viele Kälber transportiert werden, wie Saugnuckel verfügbar sind. Der Transportunternehmer hat die Auflage sicherzustellen, dass während der Tränkepause alle Kälber ausreichend mit Milchaustauscher versorgt werden und dies filmisch zu dokumentieren. Wenn Anzeichen für eine Unterversorgung fest-gestellt werden, sind Gegenmaßnahmen einzuleiten (z. B. Tränken von Hand). Die tierschutzkonforme Durchführung des Transports liegt in der Verantwortung des Unternehmers bzw. des Transportierenden.
    3. Was unternimmt die Staatsregierung, um sicher überprüfen zu können, dass Kälber bei erforderlichen Ruhepausen ordnungsgemäß abgeladen werden und nicht nur ein Abladen durch Öffnen der Ladeklappe simuliert wird?
      Die rechtlich vorgesehenen Plausibilitätsprüfungen zur Einhaltung des Tierschutzes bei Tiertransporten beziehen sich auf die Wirklichkeitsnähe von Angaben und deren Tauglichkeit, Rückschlüsse auf die Einhaltung der Verordnung zu ziehen. Eine Wahrheitsprüfung ist hier rechtlich nicht vorgesehen (und praktisch nicht umsetzbar). Vgl. auch Antworten der Staatsregierung zur Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Christian Klingen, Gerd Mannes, Markus Bayerbach, Andreas Winhart, Jan Schiffers, Franz Bergmüller (AfD) vom 03.01.2020, Drs. 18/4859 und zur Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Franz Bergmüller (AfD) vom 27.09.2019, Drs. 18/3390.
    1. Wie stellt sich nach Kenntnis der Staatsregierung die derzeitige Situation am Kälbermarkt in Bayern dar?
      Der Kälbermarkt unterliegt im Lauf der Zeit immer wieder Schwankungen.
    2. Was geschieht nach Kenntnis der Staatsregierung mit den Kälbern, die in den vergangenen Jahren aus Bayern nach Spanien transportiert worden wären, deren Transport nun nicht mehr möglich ist?
      Es wurden alternative Abnehmermärkte für den Absatz der bayerischen Kälber erschlossen.
    3. Was tut die Staatsregierung, um der Problematik überschüssiger Bullenkälber in Bayern zu begegnen?
      Die Betriebe erhalten über staatliche Beratung Hilfestellung in Fragen der Be-triebsausrichtung und Unternehmensentwicklung sowie über die staatlich geförderte Verbundberatung Hilfestellung bei produktionstechnischen Fragen.
    1. Wie unterstützt die Staatsregierung Projekte zur regionalen Vermarktung von Rind- und Kalbfleisch, um den heimischen Kälbermarkt zu entlasten?
      Zahlreiche Maßnahmen des StMELF haben eine Stärkung der Regionalvermarktung sowie die Stärkung von regionalen Wertschöpfungsketten – auch im Fleischbereich – explizit zum Ziel, z. B. die Zeichen „Geprüfte Qualität Bayern (GQ)“ und „Bayerisches Bio-Siegel“, Verbraucherkampagnen der „Agentur für Lebensmittel – Produkte aus Bayern“, die Auslobung von insgesamt 27 bayerischen Öko-Modellregionen, die Premiumstrategie für Lebensmittel sowie verschiedene Förderprogramme wie Marktstrukturverbesserung, VuVregio oder die einzelbetriebliche Investitionsförderung. Darüber hinaus tragen Regionalportale wie z. B. www.regionales-bayern.de, www.wirt-sucht-bauer.de, www.regio-verpflegung.bayern zur Verbesserung der Markttransparenz innerhalb der regionalen Märkte und Vernetzung von regionalen Erzeugern mit Verbrauchern und Marktpartnern bei. Das sich derzeit im Aufbau befindliche Online-Portal für regionale Schlachtstätten in Bayern wird dazu beitragen, dass die Partner in der Kette besser zueinanderfinden und so die Regionalvermarktung von Fleisch gestärkt wird. Mit verschiedenen Bildungsangeboten der Genussakademie Bayern und der Akademie für Diversifizierung werden Fachkräfte der Fleischvermarktung sowie Landwirte, die in die Fleischvermarktung einsteigen möchten, zielgerichtet unterstützt. Diese Maßnahmen leisten auch einen Beitrag zur Unterstützung der regionalen Vermarktung von Rind- und Kalbfleisch.
    2. Welcher finanzielle Rahmen ist hierfür vorgesehen?
      Eine Zuordnung des finanziellen Rahmens auf den Bereich der Regionalvermarktung von Rind- und Kalbfleisch der unter 4.1 genannten Maßnahmen ist nicht möglich.
    3. Wie viele Kälber wurden in den vergangenen drei Jahren aus Bayern ins Ausland transportiert (bitte aufschlüsseln nach Landkreis und Zielland)?
      Das zentrale EU-Datenbanksystem zur Erfassung des Tierverkehrs (TRAdeControl and Expert System TRACES) unterscheidet nicht zwischen Kälber- und Rindertransporten. Die gewünschte Aufstellung ist im für die Beantwortung der Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht möglich.
      Siehe bzw. vgl. auch Antworten der Staatsregierung zur Anfrage zum Plenum der Abgeordnete Gisela Sengl (Bündnis 90/Die Grünen) vom 01.04.2020 (Plenarsitzung ausgefallen), Drs. 18/7217, zur Anfrage zum Plenum des Abgeordneten Paul Knoblach (Bündnis 90/Die Grünen) vom 27.11.2019, Drs. 18/5058, zur Anfrage zum Plenum des Abgeordneten Abgeordneter Christian Hierneis (Bündnis 90/Die Grünen) vom 17.10.2019, Drs. 18/4252 sowie zur Anfrage zum Plenum der Abgeordneten Ruth Müller (SPD) vom 06.06.2019, Drs. 18/2481.
    1. Was unternimmt die Staatsregierung auf Bundesebene und europäischer Ebene, um Exporte von Nutztieren in Drittstaaten zu unterbinden?
      Tiertransporte sind auf ein unerlässliches Maß zu reduzieren und im Einklang mit europäischem Tierschutzrecht durchzuführen. Insbesondere spricht sich das Umweltministerium gegen Tiertransporte von Bayern in weit entfernte Drittstaaten aus. Im vergangenen Jahr wurden in Bayern im Rahmen des rechtlich Möglichen Regelungen erlassen, um solche Transporte aus Bayern heraus zu unterbinden. Bewusste Umgehungen dieser Regelungen sind nicht hinnehmbar. Deshalb setzt sich das Umweltministerium beim Bund und auch direkt bei der EU für eine gesamteuropäische Lösung ein.
      Zuletzt gab es dazu im September 2020 ein Schreiben des Umweltministeriums an die EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Frau Stella Kyriakides, in dem auf Änderungen der EU-Tierschutztransportverordnung Nr. 1/2005 sowie konkrete Alternativen zu Tiertransporten beispielsweise durch Fleischexporte gedrungen wurde.

 

Monierung zur Schriftlichen Anfrage „Kälbertransporte“ von Paul Knoblach am 16.10.2020 inklusive Antwort des Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vom 22.10.2020 [kursiv dargestellt]:

1.2: Wir bitten um die Nennung/und genauere Beschreibung des Tränkesystems. Dies geht nicht aus der Antwort hervor, auch wenn die Antwort impliziert, dass genauere Informationen zum genannten Tränkesystem vorliegen. Ich möchte darum bitten, insbesondere auf das Vorhandensein von verformbaren Saugern, die einen zweiphasigen Saugakt ermöglichen, einzugehen.

Das Tränkesystem besteht aus Tränkewannen mit verformbaren Gummisaugern, wie sie üblicherweise in der Kälberhaltung verwendet werden. Die Sauger können von den Kälbern so ins Maul genommen werden, dass ein physiologischer Saugakt möglich ist. Die Körperhaltung der Kälber entspricht dabei derjenigen, die auf den Haltungsbetrieben bei der Milchfütterung aus Eimern mit Gummisauger üblich ist. Je Kalb steht während der gleichzeitigen Fütterung mindestens ein Sauger zur Verfügung.

1.3: Wir bitten um Konkretisierung, wie die Versorgung mit Milchaustauschertränke oder Milch sichergestellt wird. Der Antwort ist zu entnehmen, dass die Tränkesysteme nach der Maßgabe entwickelt wurden, dass die Versorgung sicher gestellt wird. Daher ist zu erwarten, dass hier genauere Informationen vorliegen, wie diese sichergestellt werden.

Zur Fütterung werden die Tränkerinnen mit den daran befestigten Gummisaugern von außen in die Lüftungsschlitze des Fahrzeuges eingehängt. Über ein mobiles Schlauchsystem besteht mit dem Tank für die Tränke Verbindung. Aus dem beheizten Tank wird angesäuerter Milchaustauscher mit einer Temperatur von etwa 30 °C in die Tränkerinnen gepumpt. Es wird jeweils ein Verladedeck (drei Buchten) gleichzeitig getränkt.

3.1: Wir bitten um genauere Beschreibung der derzeitigen Situation des bayerischen Kälbermarktes.

In einer freien sozialen Marktwirtschaft sind Märkte grundsätzlich durch Schwankungen geprägt. Die Gründe für Schwankungen auf dem Kälbermarkt sind vielfältig, dazu gehören beispielsweise Einschränkungen der Handelbarkeit durch Auflagen des Blauzungenvirus (BTV), die Entwicklung der Fleischpreise, die Futterverfügbarkeit in den Mastbetrieben oder ein saisonal schwankendes Angebot an Kälbern (mehr Kälber in den Wintermonaten, weniger in den Sommermonaten). Hinzugekommen sind in diesem Jahr mit der Coronavirus-Pandemie zusammenhängende Unsicherheiten und Einschränkungen. Im langjährigen Schnitt erreichen die Kälberpreise ca. zur Jahresmitte ihren Höhepunkt und sinken dann über die Herbst- und Wintermonate ab, bis sie im Frühjahr wieder steigen. In den vergangenen Wochen hat die Nachfrage tendenziell abgenommen, während das Angebot jahreszeitlich bedingt zugenommen hatte. In der Folge haben die Preise nachgegeben.

3.2: Die Antwort impliziert, dass Wissen über die alternativen Absatzmärkte vorliegt. Wir bitten daher um Konkretisierung/Nennung der neuen Absatzmärkte.

Zu den alternativen Absatzmärkten ist anzumerken, dass die Kälberexporte nach Spanien nur ein sehr kleines Segment des gesamtbayerischen Kälbermarktes darstellen. Wie in einer Anfrage des Abgeordneten Christian Hierneis (Bündnis 90/Die Grünen) zum Plenum vom 15.10.2019, Drucksache 18/4252 vom 17.10.2019, mitgeteilt, dürften insgesamt weniger als 10 % der in Bayern geborenen Kälber ins Ausland exportiert worden sein. Das heißt deutlich über 90 % der bayerischen Kälber werden innerhalb Deutschlands für die Zucht oder Mast aufgezogen. Umfassende Daten über die innerdeutschen Absatzwege der Kälber werden statistisch nicht erfasst. Daher liegen der Staatsregierung auch keine belastbaren Daten über alternative Abnehmermärkte vor.

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