BN und Grüne kritisieren Staatsregierung, die mit neuen Verordnungen das Volksbegehren konterkariert
Schweinfurt/Gerolzhofen – 1,7 Millionen oder 18,4 Prozent der wahlberechtigten bayerischen Bürger haben im Sommer 2019 für das Volksbegehren „Rettet die Bienen und Artenvielfalt“ unterschrieben. Die Menschen haben mit diesem bisher erfolgreichsten bayerischen Volksbegehren klar gemacht, dass sie den dramatischen Artenschwund stoppen und mehr Ökologie wollen. Die Politik hat auch reagiert und ein Gesetzespaket zu Gunsten der Artenvielfalt und Naturschönheit beschlossen. Es trat am 1. August 2019 in Kraft.
Der damalige Jubel ist allerdings längst verebbt, weil „viele der erfreulich weitreichenden Neuregelungen durch nachgereichte Verordnungen ausgehebelt wurden“. Das sagte der Schweinfurter Landtagsabgeordnete Paul Knoblach (Bündnis 90/Die Grünen) bei einem Treffen von Akteuren des Bund Naturschutz (BN) und der Grünen am Jahrestag des Gesetzespakets. Als Veranstaltungsort wurde bewusst die Streuobstwiese des Bund Naturschutz bei Gerolzhofen gewählt. Denn: Pünktlich zum 1. August 2020 haben Landesbund für Vogelschutz und Bund Naturschutz Bayern gegen die umstrittene Streuobstverordnung der Staatsregierung Popularklage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BGH) eingereicht.
Schon im März 2020 hatte der Ministerrat trotz vorheriger Gespräche mit BN und LBV derart enge Kriterien beschlossen, dass nur ein Bruchteil der wertvollen Streuobstbestände den gesetzlichen Biotopschutz erhalten bleiben. „Den wollten doch die Bürger“, erklärte der Schweinfurter BN-Vorsitzende Edo Günther laut der gemeinsame Pressemitteilung von BN und den Grünen.
Im Kern geht es um die Kriterien, die eine Streuobstwiese zum Biotop machen. Nach der neuen Verordnung vom Frühjahr 2020 muss sich der Kronenansatz nun von drei Vierteln der Obstbäume in wenigstens 1,8 Metern Höhe befinden. Diese neue Mindesthöhe weicht aber vom bisher in der Biotopkartierung für Streuobstwiesen verwendeten Wert von 1,60 Metern und von den Kriterien der landwirtschaftlichen Förder-Programme ab. „Die Streuobstwiesen sind nicht besser geschützt als vor dem Volksbegehren“, so BN-Chef Günther beim Ortstermin, „im Gegenteil, die Messlatte wurde erheblich angehoben“.
Auch der Stammumfang mit mindestens 50 Zentimetern in einem Meter Höhe ist nach Auffassung von BN, LBV und Grünen, alle Initiatoren des Volksbegehrens, „viel zu groß“. Keine Verständnis gibt es außerdem für die Vorgaben zur Zahl der Bäume und dem Baumabstand, der zum Nachbarbaum nun mindestens zehn Meter betragen muss. „Das schließt viele wertvolle Bestände aus und ist fachlich nicht nachvollziehbar“, erläuterte BN-Akteur Erich Rößner (Sulzheim).
Ergebnis einer Begehung von Streuobstwiesen im Raum Gerolzhofen war laut Rößner: kein Bestand erfüllte die neuen Anforderungen. „Allein die Festlegung auf 1,80 Meter Höhe für den Kronenansatz reicht schon für die Disqualifikation“, erklärte der BN-Akteur. Auf der Gerolzhöfer Streuobstwiese des BN erreicht lediglich ein Baum die neuen Kriterien. „Die neuen Anforderungen schützen bestenfalls Umweltminister Glauber vor Widerspruchsverfahren, aber nicht die Natur in ihrer Vielfalt“, wetterte MdL Knoblach. „Wir könnten ja alle Äste bis 1,80 Meter Höhe absägen, dann kämen wir in den Schutz, das kann`s ja wohl nicht sein“, so Günther.
Thema war auch die Neuregelung zur „Stärkung des Biotopverbundes“. Wichtige Elemente dieser Biotopvernetzung sind dabei Straßen-, Weg- und Feldraine, Gräben und Grabenböschungen sowie Wald- und Heckensäume. Deren Pflege lasse aber trotz einiger rühmlichen Ausnahmen „sehr zu wünschen übrig“, merkte Rößner an, der in seiner Funktion als Naturschutzwart viel unterwegs ist. Es werde zu oft, zum falschen Zeitpunkt und mit dem falschen Gerät gepflegt, sagt er.
Zur Förderung der Biodiversität und zur Stärkung des Biotopverbundes fordern der BN und die Grünen deshalb die Einrichtung eines Landschaftspflegeverbandes, die versprochene Aufstockung des Personals bei den Naturschutzbehörden und eine bessere Schulung der Bauhofmitarbeiter. „Nur so lässt sich die oft willkürliche Pflege der kommunalen Flächen optimieren“, so BN-Chef Günther.
Alle Beteiligten setzen auf die Richter des BGH, die hoffentlich erkennen, dass der mit dem Volksbegehren Artenvielfalt angenommene Schutz der Streuobstwiesen durch die neue Biotopverordnung ausgehebelt wird. Knoblach abschließend: „Die Trickserei der Staatsregierung beim Streuobstschutz muss korrigiert werden“.