Direkt zur Rede des Abgeordneten Knoblach im Plenum: „Die Veterinärämter sind in ganz Bayern seit Jahren am Limit“
Der Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz hat den Antrag mit den Stimmen von CSU, FREIE WÄHLER und AfD am 10.10.2024 abgelehnt: Vorgangsmappe des Antrags.
Die Landtags-Grünen fordern eine*n unabhängige*n Landestierschutzbeauftragte*n für Bayern. Sie haben dazu einen Antrag gestellt, über den Mitte Oktober im Umwelt-Ausschuss des Landtags abgestimmt wird. Mit Blick auf die vielen Versäumnisse im Tierschutz, die dramatischen Fälle in landwirtschaftlichen Betrieben oder auch die mangelnde Finanzierung der überfüllten Tierheime in Bayern halten die Grünen eine*n Landestierschutzbeauftragte*n für dringend geboten.
Wo die Probleme liegen:
Derzeit ist der Tierschutz in Bayern zersplittert und bei verschiedenen staatlichen Einrichtungenmit unterschiedlichen Kompetenzen angesiedelt. Die Grünen sagen: Anstatt vieler Einrichtungen braucht Bayern eine zentrale zuständige Stabsstelle. Dort sollen die unterschiedlichen Kompetenzen gebündelt werden. Diese Stelle soll dann neben der Reaktion auf aktuelle Probleme auch für umfassende Beratung zur Verfügung stehen sowie im Austausch mit Verbänden an der konzeptionellen Entwicklung des Tierschutzes arbeiten. Eine zentrale Stelle würde eine koordinierte und effektivere Herangehensweise an Tierschutzfragen ermöglichen.
Zwar gibt es in Bayern einen sogenannten Tierschutzbeirat, der das zuständige Umweltministerium beraten soll. Allerdings: Dieser Tierschutzbeirat hat außer dieser Beratungstätigkeit keinerlei weitere Kompetenzen und kann die nötigen Aufgaben nicht übernehmen. Hintergrund: Der Tierschutzbereit ist ehrenamtlich tätig. Er trifft sich nur zwei Mal im Jahr, und die Ergebnisprotokolle werden nicht veröffentlicht.
Das sind die Folgen:
Gerade im Vollzug des Tierschutzes sind auf Seiten der Behörden oft erhebliche Unsicherheitenfestzustellen. Missstände werden teils nicht oder lange Zeit nicht aufgedeckt beziehungsweise beseitigt. Beispiele: Bayern-Ei, wo über langen Zeitraum schwere Verstöße gegen das Tierschutzgesetz festgestellt worden waren, ohne dass dies Auswirkungen auf den Betrieb hatte. Oder die Schlachthöfe in Aschaffenburg und in Hobbach (Miltenberg), wo es zu ungezählten Fehlbetäubungen beim Bolzenschuss gekommen ist: Die Lohnschlächter haben unbemerkt und über langen Zeitraum ungeeignetes Gerät verwendet, die Betäubungsleistung war so schlecht, dass die Tiere bei vollem Bewusstsein mehrere Betäubungsschüsse erhielten anstatt nur einen. Aufgedeckt wurden die Tierschutzskandale 2023 durch illegal erstellte Videos der SOKO Tierschutz, nicht etwa durch behördliche Kontrollen. In Aschaffenburg kämpft das Ordnungsamt seitdem vor Gericht mit den Schlachthofbetreibern um die Räumung. Ein Konzept für mehr Tierschutz in Schlachtstätten ist nicht in Sicht. Ein*e Tierschutzbeauftragte*r kann in solchen Fällen einen wichtigen Beitrag leisten.
Die Veterinärämter sind seit Jahren am Limit. Zwar versuchen sie, das Verfassungsziel Tierschutz zu erfüllen. Aus einer Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz auf eine Frage des Grünen-Abgeordneten Paul Knoblach im Juli 2024 zum Projekt „Aufgabenkritik der Veterinärverwaltung“ der Firma Coramentum lässt sich jedoch herauslesen, dass seit der Pandemie weitgehend Stillstand herrscht auf Seiten der Staatsregierung. Die Veterinärverwaltung bettelt um mehr Stellen; gleichzeitig sieht sie sich bei Tierschutzversagen vielen Vorwürfen ausgesetzt und vor Gerichten muss sie sich für die Kontrolldichte rechtfertigen – wie zuletzt im Strafprozess gegen den Landwirt in Rimsting, dessen Kühe zufällig teils tot, teils verwest mit den lebenden zusammen in kniehoher Gülle aufgefunden wurden.
Im Bereich der Tierversuche ist festzustellen, dass die Anzahl der verbrauchten Tiere stetig steigt. Ein*e Tierschutzbeauftragte*r könnte diese Entwicklung als Gutachter*in kritisch begleiten und die Erforschung von Alternativen vorwärtsbringen. Dies wäre eine äußerst wichtige Aufgabe.
Tierheime und Kommunen – letztere sind für den Betrieb kommunaler Tierheime zuständig – fühlen sich von der Staatsregierung alleingelassen. Denn die Tierheime sind zunehmend überfüllt, und es hapert nach wie vor an der Finanzierung: Die Staatsregierung hat die Finanzmittel für Tierheime in Bayern im aktuellen Haushalt sogar gekürzt – beispielsweise von 500.000 Euro pro Jahr auf nur noch 300.000 Euro für die laufenden Kosten. Seit Jahren drückt sich Bayern um seine Verantwortung als Aufgabenträger des Tierschutzes, die Staatsregierung überlässt es den individuellen Verhandlungen von Tierheimen mit den Gemeinden als Fundbehörden, wie die Kosten für Unterbringung, Futter, Impfungen etc. erstattet werden. Ein*e Tierschutzbeauftragte*r könnte zudem den aktuellen Flickenteppich lokaler Katzenschutzverordnungen zur langfristigen Senkung der übermäßigen Population verwilderter Katzen vereinheitlichen. Hier braucht es dringend eine landesweite Verordnung, um Rechtssicherheit zur Eindämmung übermäßiger Vermehrung zu schaffen und somit das Leid der Straßenkatzen deutlich zu reduzieren.
Auch andere Tierschutzprobleme nehmen zu, beispielsweise illegale Welpentransporte, deren Zahl in Bayern in den letzten Jahren auffällig angestiegen ist. Hier ist eine koordinierte Herangehensweise erforderlich, die unter der Leitung eine*r Landestierschutzbeauftragten durchgeführt werden könnte. Bisher werden die aufgefundenen Tiere von den Tierheimen in Quarantäne gebracht, tierärztlich betreut und vermittelt, was das knappe Budget der Tierheime zusätzlich erheblich belastet.
Das fordern die Landtags-Grünen:
Die Landtags-Grünen fordern eine Zentralisierung der Verantwortung durch eine*n Landestierschutzbeauftragte*n (plus Mitarbeiter*innen), die/der direkt dem Umweltministerium unterstellt ist – und diesem zuarbeitet, mit Expert*innenwissen berät und dadurch z.B. bei Gesetzesvorhaben das Ministerium entlastet. Sie/er soll auch zentrale*r Ansprechpartner*in sein für Bürger*innen, Tierschutzverbände und -vereine. Sie/er soll an der systematischen Weiterentwicklung des Tierschutzes in Bayern arbeiten, statt nur auf aktuelle Probleme zu reagieren, soll an einschlägiger Gesetzgebung mitwirken, soll eigene Mittel zur Verfügung haben und der Öffentlichkeit transparent über die Aktivitäten berichten. Eine*n Landestierschutzbeauftragte*r könnte auch vermittelnd eingreifen, wenn es zu Differenzen zwischen Behörden und privaten Tierhaltern kommen sollte.
Der/die Landestierschutzbeauftragte soll wissenschaftliche Untersuchungen zur Grundlagenforschung anstoßen sowie gutachterlich tätig werden, wenn es um tierschutzrelevante Themen wie etwa um die Genehmigung von Tierhaltungen geht. (Konkrete Forderungen und deren Begründung finden Sie im Antrag im Anhang.)
Als Vorbild dienen hier bereits zahlreiche Bundesländer, etwa Berlin, Baden-Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hessen. Im Juni 2023 hat zudem die erste politisch unabhängige Tierschutzbeauftragte der Bundesregierung im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ihr Amt angetreten.
Die Landtags-Grünen haben schon seit vielen Jahren in zahlreichen Anträgen eine*n Tierschutzbeauftragte*n für Bayern gefordert. CSU und Freie Wähler haben diese jedoch immer abgelehnt. Für CSU und Freie Wähler spielt Tierschutz offenbar nur eine untergeordnete Rolle, sie verschließen die Augen vor dem vom Menschen verursachten Leid vieler Tiere. Die Landtags-Grünen werden jedoch nicht lockerlassen, solange, bis der Tierschutz in Bayern einen höheren Stellenwert erreicht hat. Denn Tierschutz hat in Bayern Verfassungsrang, und das ist auch gut so. Die Landtags-Grünen kämpfen dafür, dass dieser Verfassungsrang endlich mit Leben gefüllt wird!
Paul Knoblach, Sprecher für Tierschutz der Landtags-Grünen, erklärt:
„Tierschutz hat Verfassungsrang. Es geht um Lebewesen! Es kann und darf nicht sein, dass hier noch immer so nachlässig rumgewurschtelt wird. Noch heute werden die haarsträubendsten Tierschutzskandale auf unterbesetzte Veterinärämter abgewälzt. Die oftmals bestürzenden Folgen sehen wir dann regelmäßig in den Nachrichten.“
„Die Staatsregierung ist bis heute nicht in der Lage, die Verfassung einzuhalten. Sie braucht externe Hilfe. Und genau diese kann eine solche Landestierschutz-Stelle leisten.“
Johannes Becher, erster stellvertretender Fraktionsvorsitzender, erklärt:
„Der Tierschutz in Bayern führt ein Schattendasein. Und das hat seinen Grund in den Strukturen: Es gibt zu viele zuständige Einrichtungen, der bayerische Tierschutzbeirat ist ehrenamtlich tätig und die Ergebnisse werden nicht veröffentlicht. Für viele Tiere hat das leidvolle Folgen. Deshalb fordern wir eine zentrale Stabsstelle für Bayern, die die unterschiedlichen Kompetenzen bündelt und damit für mehr Schutz unserer Tiere sorgt. Andere Länder machen es uns schon lange vor. Bayern kann nicht länger mal da und mal dort ein bisschen was machen – dafür ist Tierschutz viel zu wichtig!“
Ariane Désirée Kari, Tierschutzbeauftragte der Bundesregierung, erklärt:
„Landestierschutzbeauftragte gibt es derzeit bereits in neun Bundesländern und sie sind besonders deshalb so wichtig, weil zahlreiche Tierschutzfragestellungen – wie zum Beispiel der Tierschutzvollzug und die Umsetzung des bundesweit geltenden Rechtes – Länderangelegenheit sind. Deshalb würde ich es ausdrücklich begrüßen, wenn im Freistaat Bayern eine entsprechende Berufung erfolgen würde. Auch mit Blick auf Tierschutzverstöße, die dort festgestellt werden, braucht es eine unabhängige und weisungsfreie Stimme für die Tiere in Bayern.“
Dr. Kai Braunmiller, Amtstierarzt, Fachtierarzt für Tierschutz und Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene und Tierschutz in Bayern (LAG), erklärt:
„Die Wertigkeit des Staatsziels Tierschutz nach Artikel 20a Grundgesetz müsste juristisch, in der Kontrolle und im Vollzug sowie in der politischen Gewichtung verbessert werden. Das Tierschutzgesetz macht in den §§ 1 und 2 klare und verständliche Vorgaben, die von den Tierhaltern einzuhalten sind. Leider ist die Verfolgung von schweren Tierschutzverstößen bisher nicht effektiv und abschreckend genug. Eine unabhängige*r Landestierschutzbeauftragte*r könnte hier in eine Moderatorfunktion zwischen der Politik, den Verbänden, den Tierschutzinstitutionen und der Kontrollseite treten, um fachlich aufzuklären und im Dialog mit den Beteiligten gute Lösungen zu entwickeln und dann umzusetzen. Mit einem Monitoringsystem (Gesundheitsdaten, abweichende Schlachtdaten, Monitoring bei der Tierkörperbeseitigung) in der landwirtschaftlichen Tierhaltung könnte man Defizite früher erkennen, abstellen und so auch den Schaden für den Landwirt und seine Tiere minimieren.“
Silvia Rottmair, Vorsitzende der Katzenhilfe Salzachtal, erklärt:
„In Sachen Tierschutz hinkt Bayern hinterher. Das zeigt sich auch in unserem Bereich: Die Tierheime sind seit Jahren überfüllt, die Situation verschärft sich immer mehr. Was uns hingegen deutlich entlasten würde, wäre eine bayernweite Katzenschutzverordnung! Dann würden endlich alle Katzen mit unkontrolliertem Auslauf und heimatlose Streuner gekennzeichnet, registriert und bei Bedarf auch kastriert. Das ist notwendig, denn unkastrierte Katzen vermehren sich rasant – und für die Tiere bedeutet das großes Leid. Viele sind ausgehungert und krank, und sie geben ihre Parasiten, Viruserkrankungen und bakteriellen Infekte an den Nachwuchs weiter. Das Problem besteht schon lang und es zeigt, wie dringend wir jemanden brauchen, der dem Tierschutz in Bayern die nötige Aufmerksamkeit verschafft.“