Für einen respektvollen Umgang mit unseren Tieren in der Landwirtschaft
Kurzzusammenfassung
Wir, Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag, setzen uns für eine tiergerechte landwirtschaftliche Nutztierhaltung ein. Tiergerechte Haltung bedeutet ausreichend Platz, Zugang zum Außenklima und mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Tiere. Im Jahr 2019 lebten 12 Millionen Rinder, Schweine und Legehennen in bayerischen Ställen, viele von ihnen werden nicht tiergerecht gehalten – zum Vergleich, Bayern hat 13 Millionen Einwohner*innen. Probleme im Umgang mit den Tieren in der Landwirtschaft gehen uns alle an. Der wachsende gesellschaftliche Wunsch nach einer ethischeren Tierhaltung zeigt immer deutlicher, dass sich etwas verändern muss. Dafür hat Bayern gute Voraussetzungen: Es existieren noch viele familiengeführte, vielseitig strukturierte Betriebe, die mit staatlicher Unterstützung Verbesserungen beim Tierwohl gut umsetzen könnten. Dieses Potenzial wollen wir nutzen.
Wir wollen, dass Tiere in bayerischen Ställen und auf bayerischen Weiden tiergerecht nach ihren Bedürfnissen leben dürfen und bis zur Schlachtung respektvoll behandelt werden. Die notwendigen Veränderungen sind bekannt. Wir wollen die Verzögerungstaktik der vergangenen Jahrzehnte überwinden und gemeinsam mit landwirtschaftlichen Erzeuger*innen neue Wege gehen. Dabei ist klar: Mit der Ausrichtung am Weltmarkt und dem Wettbewerb mit Importen aus dem Ausland kommen wir nicht weiter. Hochwertige Produkte können und dürfen nicht zu Dumpingpreisen verkauft werden. Verbesserungen in der bayerischen Tierhaltung sind unbedingt auf staatliche Unterstützung angewiesen, starke regionale Vermarktungsketten geben zusätzliche Stabilität. Dies zeigt, dass Tierhaltung und Landwirtschaft ganzheitlich gedacht werden müssen. Tierwohl, transparente Wertschöpfungsketten, regionale Kreisläufe und Ökologie sind unser Leitmotiv und gehen für uns GRÜNE Hand in Hand.
Download als pdf-Datei: Konzeptpapier Tierwohl
Inhalt
- I. Situationsanalyse
- II: Unsere GRÜNEN Ziele
- III. Unser Weg dorthin: Konkrete Maßnahmen
- 1. Milchkühe: Ende der ganzjährigen Anbindehaltung
- 2. Milch und Kälber: Mehr regionale Kreisläufe und mehr Ökologie müssen die Lösung sein
- 3. Schlachtung tragender Tiere
- 4. Tierskandale vermeiden bedeutet, Daten aus der Tierkörperbeseitigung zu nutzen
- 5. Einführung einer zentralen Tiergesundheitsdatenbank Bayern
- 6. Antibiotikaeinsatz
- 7. Tierschutzkonforme Betäubung: Alternativen zu CO2 und Sachkunde beim Schlachten
- 8. Problematik Qualzucht: Zuchtziele überdenken
- 9. Schweineställe tiergerecht genehmigen
- 10. Tierschutzleitlinien für die in der TierSchNutzV „vergessenen“ Tierarten
- 11. Tiertransporte in Drittstaaten
- 12. Zukunftsplan Tierhaltung und Beratungsoffensive für Tierhalter*innen
- 13. Tierschutz voranbringen – endlich eine Tierschutzbeauftragte oder einen Tierschutzbeauftragten für Bayern einführen!
- 14. Vermarktung: Staatliche Tierwohlkriterien in das Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“ einbinden
- 15. Herkunftskennzeichnung – ein Mehrwert für bayerische Landwirt*innen und Verbraucher*innen
- IV. Die Transformation der landwirtschaftlichen Tierhaltung: Fachgremien positionieren sich zum Tierwohl
- V: Fazit
I. Situationsanalyse
Wir GRÜNE setzen uns für eine umfassende Stärkung tiergerechter Haltungssysteme und einen respektvollen Umgang mit den Tieren in der Landwirtschaft ein. Der Tierschutz ist in der Bayerischen Verfassung und bereits seit 2003 im deutschen Tierschutzgesetz verankert.
„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.“
Tierschutz Gesetz §2 Absatz 1
Doch obwohl Tiere gesetzlich geschützt sind und die Gesellschaft zunehmend einen respektvollen, ethischen Umgang mit ihnen einfordert, sind die Zustände in vielen Ställen noch immer nicht tiergerecht. Gleichzeitig empfinden viele Tierhalter*innen ihre Situation als unbefriedigend. Dies zeigt: Tierhaltung geht besser, als sie derzeit in Bayern praktiziert wird.
Die Tierhaltung wurde in den letzten Jahrzehnten immer stärker industrialisiert. Die Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker von regionalen Kreisläufen gelöst und am Weltmarkt ausgerichtet. Dies gilt auch für die Tierhaltung. Finden Betriebsleiter*innen keine Nische durch regionale Vermarktungswege oder Qualitätsprogramme, so stehen sie unter dem Druck, zu immer geringeren Kosten Fleisch, Milch und Eier zu produzieren, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Den Preisschwankungen am internationalen Markt sind sie dabei ausgeliefert – diese können existenzbedrohend sein. Auch die steigende Marktmacht des Einzelhandels setzt Landwirt*innen immer mehr unter Druck, denn sie befinden sich beim Verkauf ihrer Produkte in einer schlechten Verhandlungsposition.
Der Preisdruck führt zu Spezialisierung, Industrialisierung und Intensivierung in der Tierhaltung. Die Spezialisierung geht so weit, dass die Tiere je nach Lebensalter in spezialisierten Betrieben erzeugt, aufgezogen und gemästet werden. „Wachse oder Weiche“ bedeutet, dass nur immer größere Höfe und immer größere Verarbeitungsbetriebe effizient genug sind, um in diesem internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Die gesetzlich vorgeschriebenen Haltungsbedingungen der Tiere sind auf das Notwendigste reduziert, sie sind reizarm, bieten wenig Platz, keinen Zugang zum Außenklima und oft keine artgerechte Fütterung. Die Tiere werden der Haltung angepasst und entwickeln Verhaltensstörungen, mit der Folge, dass sie sich oft gegenseitig verletzen. Gute Vorgaben des Tierschutzgesetzes werden in der Tierschutznutztierhaltungs-Verordnung nur mangelhaft umgesetzt. Zum Beispiel werden in der konventionellen Landwirtschaft Rinder noch immer ganzjährig in Anbindehaltung gehalten und Mastschweinen von bis zu 110 kg Gewicht steht ein Platzangebot von lediglich 0,75 m² zu. Dies alles entgegen einhelligen wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass diese Einschränkungen das Wohlbefinden der Tiere ganz erheblich beeinträchtigen.
Ein weiteres Resultat der Intensivierung und Industrialisierung der Tierhaltung ist die Zucht hin zu sehr hoher Leistung mit täglichen Milchleistungen von über 40 Litern bei Kühen, Legeleistungen von 300 Eiern jährlich bei Hennen oder sehr großen Würfen bei Sauen, die mehr Ferkel gebären als sie Zitzen haben. Unter dieser extremen Zucht leiden zunehmend die Tiere. Masthähnchen wachsen so schnell, dass sie in vier bis sechs Wochen ihr Schlachtgewicht erreichen, das 50-fache ihres Schlüpfgewichts. Milchkühe leiden unter Euterentzündungen oder Stoffwechselproblemen. Zu leicht geborene Ferkel überleben oft nicht. Die einseitige Zucht auf extrem hohe Milch- oder Legeleistung führt dazu, dass männliche Tiere dieser Zuchtlinien keinen Sinn im System mehr haben und überflüssig werden. Erhebliche ethische Probleme entstehen, die wir GRÜNE und ein Großteil der Gesellschaft nicht weiter hinnehmen wollen. Auswüchse wie der Transport von bayerischen Rindern und Schafen über tausende Kilometer in den Nahen und Mittleren Osten, nach Vorder- und Mittelasien sowie nach Afrika, die Schlachtung tragender Rinder, das millionenweise Töten männlicher Eintagsküken oder die betäubungslose Kastration sind verstörend. Die Form der effizienz- und rein gewinngetriebenen Tierhaltung ist ethisch nicht tragbar.
Wir GRÜNE finden, es kann nicht das Ziel der inländischen Tierhaltung sein, in einem Wettbewerb um immer geringere Standards und immer geringere Produktionskosten auf dem internationalen Markt mithalten zu wollen. Das Ergebnis sehen wir jeden Tag: Tierhalter*innen geben auf und die Ställe der verbleibenden werden immer größer. Ein Prozess der Entfremdung zwischen Gesellschaft und landwirtschaftlicher Tierhaltung findet statt. Auch für die Tierhalter*innen ist diese unsichere, konfliktbehaftete Situation sehr unbefriedigend. Dies ist ein Ergebnis einer mutlosen und visionslosen Landwirtschaftspolitik der vergangenen Jahre. Trotz vieler Lippenbekenntnisse der unionsgeführten Ministerien gab es weder nennenswerte Verbesserungen in der Tierhaltung noch eine Verbesserung der Situation der Landwirt*innen. Diese Verzögerungstaktik ist leider prägend für die Politik der letzten Jahrzehnte. Und das, obwohl es so viele Möglichkeiten gäbe, um Tierhaltung und Landwirtschaft positiv weiterzuentwickeln.
Bayern hat gute Voraussetzungen, um bessere Tierhaltungsbedingungen, Weidehaltung und regionale Wertschöpfungsketten auszubauen. Denn Bayern ist geprägt von vielen familiengeführten, kleinstrukturierten Betrieben. In der Rinderhaltung wird hauptsächlich die robuste Zweinutzungsrasse Fleckvieh eingesetzt. Initiativen zur regionalen Vermarktung existieren vielerorts und es gibt attraktive Vermarktungswege für Produkte aus ökologischem Landbau. Die Bedingungen sind also gegeben, um mit staatlicher Unterstützung eine ethischere Tierhaltung und stabile landwirtschaftliche Einkommen der Tierhalter*innen zu erreichen.
II. Unsere GRÜNEN Ziele
Das Leitmotiv GRÜNER Politik ist eine ganzheitlich gedachte Landwirtschaft, ausgerichtet an Tierwohl, Ökologie und regionalen Kreisläufen. Wir GRÜNE finden, wenn Tiere für uns Menschen genutzt werden, dann muss sich dies an ethischen und nicht an wirtschaftlichen Maßstäben ausrichten. Tiere in unserer Obhut sind respektvoll zu behandeln, ihnen dürfen keine Schmerzen zugefügt und sie dürfen nicht aus wirtschaftlichen Gründen gequält werden. Haltung und Zucht müssen sich an der Integrität der Tiere orientieren. Nicht-kurative, schmerzhafte Eingriffe am Tier wie Amputationen lehnen wir grundsätzlich ab. Die Haltung muss den Tieren ermöglichen, nicht nur frei von Leid und Schmerz zu sein, sondern auch positive Emotionen zu erleben. Denn wir finden, dass jedes einzelne Tier in der Landwirtschaft um seiner selbst willen Schutz verdient.
Wir GRÜNE wollen die landwirtschaftliche Tierhaltung in Bayern kraftvoll weiterentwickeln. Wir wollen einen Qualitätswettbewerb der inländischen Tierhaltung anstatt eines Mengenwettbewerbs und internationalen Preiskampfs. Daher setzen wir uns ein für deutlich bessere Haltungsbedingungen, bei denen die Bedürfnisse der Tiere berücksichtigt werden. Hierzu gehört deutlich mehr Platz pro Tier, der Zugang zur frischen Luft, Bereiche zum weichen, trockenen Liegen und zur Bewegung, tiergerechte Fütterung sowie Beschäftigungsmaterial. In der ökologischen Landwirtschaft sind viele dieser Prinzipien bereits umgesetzt.
Für Landwirt*innen darf Tierschutz nicht zum Wettbewerbsnachteil werden. Doch dafür bedarf es umgehend neuer Vermarktungsmöglichkeiten, damit die zusätzlichen Kosten auch wieder erwirtschaftet werden können. Dies kann durch die Ausgestaltung und Weiterentwicklung bestehender Marktinitiativen in Bayern direkt unterstützt werden, wie zum Beispiel über die Ergänzung des Siegels „Geprüfte Qualität Bayern“ mit Tierwohlkriterien. Eine Neuausrichtung der Tierhaltung wird vollumfänglich aber nur durch eine zielgerichtete und langfristige staatliche Förderung möglich sein.
Wir GRÜNE schreiben Ökologie und Regionalität groß. Wir setzen uns ein für einen deutlichen Ausbau der ökologischen Landwirtschaft und Tierhaltung, denn diese bietet einen ganzheitlichen Blick auf die landwirtschaftlichen Kreisläufe und fördert eine Tierhaltung, die viel stärker an den Bedürfnissen der Tiere ausgerichtet ist als die Konventionelle. Weiterhin bedeuten regionale Vermarktungsstrukturen kurze Wege und einen stärkeren Bezug zum Lebensmittel für Verbraucher*innen. So entsteht ein Bewusstsein für den Wert der Lebensmittel. Auf den folgenden Seiten stellen wir unsere konkreten Forderungen für die Tierhaltung in Bayern vor
III. Unser Weg dorthin: Konkrete Maßnahmen
1. Milchkühe: Ende der ganzjährigen Anbindehaltung
In Anbindehaltung sind Rinder dauerhaft an ihrem Platz angebunden, wo sie sich ausschließlich hinlegen und aufstehen können. Dieses Haltungsverfahren ist nicht tiergerecht, denn es schränkt angeborene Verhaltensweisen, die Fortbewegung und das Sozialverhalten der Kühe massiv ein. Auch ein sehr gutes Management kann diese Defizite nicht wettmachen, denn auch bei gesunden und sehr gut versorgten Tieren ist in der Anbindehaltung das Normalverhalten der Tiere zu stark eingeschränkt. Als besonders problematisch gilt die ganzjährige Anbindehaltung, bei der die Tiere das gesamte Jahr über im Anbindestand stehen und nie Zugang zu einer Weide oder einem Auslauf haben. In Bayern halten aktuell noch über die Hälfte der mehr als 30.000 Milchviehbetriebe ihre Kühe in Anbindehaltung. Im Jahr 2016 hielten 48% der bayerischen Milchviehbetriebe ihre Kühe ganzjährig angebunden und weitere 12% saisonal, darunter fallen auch etwa 1.000 Ökobetriebe mit Sommerweide und einer Kombination aus Anbindehaltung und Auslauf während der Wintermonate.
Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung haben verschiedene Möglichkeiten, ihr Haltungsverfahren tiergerechter zu gestalten. Wir GRÜNE wünschen uns für jede Kuh, dass sie die Möglichkeit hat, auf die Weide zu gehen. Doch für viele Landwirt*innen ist das nicht möglich. Auch der Bau eines Laufhofes, Umbau des Anbindestalls zum Laufstall, Neubau eines Laufstalls oder saisonaler Weidegang kann die Situation bei bestehenden Ställen deutlich verbessern. Die sogenannte Kombinationshaltung ist ein Kompromiss, um Betrieben zu ermöglichen, die Milchviehhaltung beizubehalten und das Tierwohl zu verbessern, indem Kühen, die hauptsächlich in Anbindehaltung stehen, an 120 Tagen oder unter speziellen Bedingungen an 90 Tagen im Jahr der Zugang zu einem Laufhof oder einer Weide gewährt wird.
Die ganzjährige Anbindehaltung finden wir nicht mehr zeitgemäß. Es gibt mittlerweile viele Möglichkeiten, die Situation für die Kühe zu verbessern, sie müssen endlich umgesetzt werden. Eines ist deutlich: Ohne klare Übergangsregelungen geht die Umstellung auf tierfreundlichere Systeme viel zu langsam. Daher setzen wir uns für einen geregelten Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung in absehbarer Zeit ein. Für die Übergangszeit, in der noch ganzjährige Anbindehaltung betrieben wird, sind Mindeststandards insbesondere an die Standbreite, Standlänge und Bodengestaltung für diese Haltungsform festzulegen.
- Fahrplan für den Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung auf Bundesebene unterstützen
- Förderung tiergerechter Systeme in der Milchviehhaltung
- Definition tierschutzfachlicher Leitlinien für die Anbindehaltung in Bayern
2. Milch und Kälber: Mehr regionale Kreisläufe und mehr Ökologie müssen die Lösung sein
Das Säugen des Nachwuchses gehört zu den natürlichen Verhaltensweisen, auch unserer landwirtschaftlichen Nutztiere. Bei Milchkühen werden die Kälber kurz nach der Geburt von den Müttern getrennt, damit die Milch den Menschen zur Verfügung steht und das Kalb nicht säugen kann. In der konventionellen Landwirtschaft erhalten die Kälber, die von den Müttern getrennt werden, in der Regel keine Frischmilch, sondern einen billigeren sogenannten Milchaustauscher. Dieser besteht zu wesentlichen Anteilen aus Pflanzenölen wie Palmöl. Die Praktik ist also nicht nur aus Sicht des Tierschutzes, sondern auch aus Sicht des Umweltschutzes sehr fragwürdig.
Die Milchproduktion bringt eine hohe Anzahl von Kälbern hervor. Bayerns Selbstversorgungsgrad bei Milch liegt bei 173% und dies erzeugt eine Überproduktion an Kälbern, die in Bayern nicht alle eine*n Abnehmer*in finden. Wohin also mit ihnen? Sie gelangen als Nebenprodukte der bayerischen Milchproduktion über lange Transporte in die tierschutzwidrige Kalbfleischmast in die Niederlande oder in die Rindermast nach Spanien, von wo aus sie zum Teil zum Schlachten nach Nordafrika weitertransportiert werden. Viele Kälber überleben diese langen Transporte nicht. Diese Auswüchse sind inakzeptabel und müssen durch eine Stärkung bayerischer Vermarktungsinitiativen beendet werden. Wir GRÜNE finden, die Probleme bei Tier- und Umweltschutz, welche sich aus der intensiven Milchproduktion ergeben, können nur durch eine stärkere Ökologisierung und regionale Kreisläufe durchbrochen werden. Diese wollen wir fördern.
Eine kleine, aber wachsende Anzahl von Betrieben versucht, mehr Tierschutz in der Milchproduktion umzusetzen und praktiziert die kuhgebundene Kälberaufzucht oder Ammenkuhhaltung. In dieser Haltung kann das Kalb in körperlichem Kontakt zur Kuh bleiben und bekommt ihre Milch. Dies stellt für das Sozialverhalten von Kuh und Kalb einen erheblichen Vorteil im Vergleich zur frühen Trennung dar und hilft, Verhaltensstörungen bei den Kälbern zu vermeiden. Milch aus der tierfreundlichen kuhgebundenen Kälberaufzucht könnte in der Zukunft eine interessante Vermarktungsmöglichkeit speziell für kleinere Betriebe und Direktvermarkter*innen sein. Deshalb sollten die Möglichkeiten, dieses Verfahren in der Praxis umzusetzen, stärker erforscht werden.
- Höherer Stellenwert für die Zuchtziele Raufutterverwertung und Tiergesundheit anstatt Milchleistung bei Milchkühen
- Ausbau von Fördermaßnahmen, die geeignet sind, die Milchmenge zu reduzieren und das Tierwohl zu erhöhen (z.B. Weideprämie, Mutterkuhhaltung, ökologische Landwirtschaft)
- Diversifizierung und Extensivierung als von der landwirtschaftlichen Beratung vorgeschlagene Maßnahmen um den Milchmarkt zu entlasten
- Staatliche Förderung der Forschung und von Pilotprojekten zur muttergebundenen Kälberaufzucht und Ammenkuhhaltung
- Förderung der Kälberaufzucht mit Frischmilch, beispielsweise indem das Kriterium in das Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“ aufgenommen wird
- Entwicklung und Umsetzung von Konzepten für eine regionale und ökologische Kälbermast und für regionale Vermarktungswege
- Strengere Überwachung und strikte Begrenzung von Kälbertransporten, die EU-Transportverordnung muss im Sinne des Tierschutzes zu jeder Zeit eingehalten werden
3. Schlachtung tragender Tiere
Studien aus den letzten Jahren belegen, dass in Deutschland regelmäßig trächtige Nutztiere zur Schlachtung abgegeben werden. Die Zahlen schwanken stark, doch es handelt sich um einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Tiere. Eine Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 20111 ermittelte, dass etwa 10% der weiblichen Rinder tragend geschlachtet werden. Nach Erhebungen des Verbandes der Fleischwirtschaft e. V. aus den Jahren 2013 und 2014 wurden ca. 3,5% der weiblichen erwachsenen Rinder tragend geschlachtet – bei rund 550.000 weiblichen Rindern, die jährlich in Bayern geschlachtet werden, würde dies gut 19.000 Tiere betreffen. Wegen der erheblichen Tierschutzprobleme ist jedes tragend geschlachtete Tier eines zu viel. Denn wird die Mutter geschlachtet, so erstickt der Fötus im Mutterleib. Dabei ist nicht auszuschließen, dass der Fötus bereits Leid und Schmerzen empfindet, denn Abwehrreaktionen der sterbenden Föten werden immer wieder beobachtet. Im Jahr 2017 wurde ein Verbot der Abgabe von hochträchtigen Rindern und Schweinen zur Schlachtung verhängt. Doch unter gewissen Bedingungen dürfen auch hochträchtige Tiere im letzten Drittel der Trächtigkeit noch immer einer normalen Schlachtung zugeführt werden, denn der Schutz von Föten ist im Tierschutzgesetz nicht festgehalten. Hier wäre eine Konkretisierung dringend notwendig. Im fortgeschrittenen Trächtigkeitsstadium müsste das Einschläfern im Herkunftsbetrieb anstatt der Schlachtung vorgeschrieben werden. Beim Einschläfern ist der leidensfreie Tod von Mutter und Fötus gewährleistet. Auf diese Weise entfällt auch der belastende Transport zum Schlachthof.
Die Abgabe tragender Tiere zur Schlachtung scheint darüber hinaus ein Problem zu sein, das bei bestimmten Betrieben verstärkt auftritt. Dies ist nur einer von mehreren Gründen, weshalb wir die Einführung einer zentralen Tiergesundheitsdatenbank für absolut notwendig erachten. So könnten unter anderem Betriebe identifiziert werden, auf denen verstärkt tragende Tiere zur Schlachtung abgegeben werden. Auf diese Betriebe könnte gezielt beratend zugegangen werden.
- Keine Schlachtung von Rindern bei fortgeschrittener Trächtigkeit
- Ausweitung des Schlachtverbots von hochträchtigen Rindern und Schweinen auf alle Nutztiere
- Erfassung der tragend geschlachteten Tiere in einer zentralen Tiergesundheitsdatenbank
4. Tierskandale vermeiden bedeutet, Daten aus der Tierkörperbeseitigung zu nutzen
Schlachtbefunde spiegeln die Haltungsbedingungen von Nutztieren während ihres Lebens wider. Bei der Zerlegung und der Fleischbeschau werden Verletzungen, zum Beispiel an Gelenken und Klauen, oder krankhafte Veränderungen an den Organen sichtbar. Diese Befunde geben einen Einblick, wie das Tier gehalten und behandelt wurde, ob es während seines Lebens Schmerzen hatte. Oft sind diese Verletzungen die Folge von schlechten Haltungsbedingungen.
Wenn ein Tier verendet oder notgetötet werden muss, so wird es nicht zum Schlachthof, sondern zu Anlagen der Tierkörperbeseitigung (TBA) oder zu Verarbeitungsbetrieben tierischer Nebenprodukte (VTN) gebracht und dort entsorgt. Während in Schlachtbetrieben die amtliche Schlachttierkontrolle standardmäßig stattfindet, ist dies in TBA und VTN nicht der Fall. Die dort angelieferten Tiere werden in der Regel nicht weiter inspiziert. Diese sogenannten Falltiere werden bisher nur in Ausnahmefällen nach freiwilliger Meldung der Betreibenden amtstierärztlich untersucht. Es gibt jedoch deutliche Hinweise, dass ein Teil der dort angelieferten Tiere in einem sehr schlechten Zustand ist. Das lässt vermuten, dass sie zu Lebzeiten unangemessen behandelt wurden, erhebliche, länger anhaltende Schmerzen hatten und oft qualvoll verendet sind. Besonders erschreckend ist das Ergebnis einer Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover aus dem Jahr 2017, wonach bei 61,8% der notgetöteten Tiere die Betäubung und/oder Tötung offensichtlich nur mangelhaft durchgeführt wurde.
Die TBA oder VTN sind neben Schlachtbetrieben als „Flaschenhälse“ für die Erkennung tierschutzrelevanter Missstände bei Tierhaltungen zu werten. Hier werden viele Informationen sichtbar, die auf Haltungsbetriebe mit schlechtem Management und schlechter Tierhaltung schließen lassen. Angesichts des enormen Potentials für eine effektive Tierschutzüberwachung muss der Blick auf die TBA und VTN in Bayern deutlich ausgeweitet und geschärft werden.
- Standardmäßige, dokumentierte Einzeltierkontrollen von angelieferten Tieren in Tierkörperbeseitigungsanlagen durch geschultes Personal
- Stichpunktartige Kontrollen auch in Verarbeitungsbetrieben tierischer Nebenprodukte
- Nutzung der Daten für die Lebensmittel- und Tierschutzüberwachung an den zuständigen Behörden
5. Einführung einer zentralen Tiergesundheitsdatenbank Bayern
Tiergesundheit ist untrennbar mit Tierwohl und Lebensmittelsicherheit verbunden. Die Tierschutzskandale der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es trotz Kontrollen an einzelnen Betrieben immer wieder zu erheblichen Vergehen gegen den Tierschutz kommt. Neben der Haltungsform spielt auch das individuelle Management eine wesentliche Rolle für die Tiergesundheit und den Tierschutz. Bei Kontrollen ist die Gesamtsituation des Betriebes nicht immer einfach erfassbar, eine Kontrolle stellt eine subjektive Momentaufnahme der Kontrolleur*innen dar. Um diese Schwäche im Interesse der Tiere zu beheben und endlich eine effektive Tierschutzüberwachung zu realisieren, bedarf es einer zentralen Tiergesundheitsdatenbank. Diese macht es möglich, Tiergesundheit zu vergleichen und Betriebe mit Tierschutzproblemen schneller zu identifizieren, sie intensiver zu betreuen sowie Tieren zu helfen. Eine solche Datenbank wird von Fachleuten seit Jahren zur besseren Tierschutzkontrolle und Überwachung des Antibiotikaeinsatzes gefordert.
Von Landwirt*innen und Tierärzt*innen werden im Stall und am Schlachthof bereits zahlreiche Informationen dokumentiert. Die geordnete, digitale und zentrale Zusammenführung dieser Daten in einer gemeinsamen Datenbank hingegen fehlt, weshalb das große Potenzial dieser Daten im Kontext des Tierschutzes und der Lebensmittelsicherheit bisher nicht genutzt werden kann. Bestehende Dokumentationspflichten nach dem Lebensmittel-, Tierschutz-, Tierarzneimittel- und Tiergesundheitsrecht, dem Antibiotika-Monitoring, von Schlachthofbefunden sowie Mortalitätsraten der Tierbestände müssen zusammengeführt und behördlich nutzbar gemacht werden.
Eine zentrale Tiergesundheitsdatenbank ermöglicht zielgerichtete und bessere Tierschutzkontrollen und kann als Frühwarnsystem, zum Beispiel bei Tierschutzskandalen dienen. Auf Problembetriebe kann gezielt beratend zugegangen werden, auch Kontrollen könnten von den Veterinärämtern zielgerichteter an Problembetrieben abgehalten werden. Der Vergleich des eigenen Betriebs im Verhältnis zu aggregierten Daten anderer Betriebe ist darüber hinaus eine Größe, an der sich Tierhalter*innen messen und an der sie Verbesserungspotential erkennen können. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass allein diese Information dazu führt, dass Betriebe sich um Verbesserungen bemühen.
Neben den genannten Vorteilen für die Tierschutzüberwachung ist eine zentrale Tiergesundheitsdatenbank außerdem für ein funktionierendes Antibiotikamonitoring ein wichtiger Schritt zur Reduktion und damit auch zur Vorbeugung von Antibiotikaresistenzen. Denn „Vielverbrauchende und Vielverschreibende“ können identifiziert werden. Es wird eine qualitative und quantitative Bewertung des Arzneimitteleinsatzes möglich.
Die Überwachung der Tiergesundheit obliegt den Ländern, weshalb die Erstellung einer zentralen Tiergesundheitsdatenbank in die Kompetenz der Bayerischen Staatsregierung fällt. Zur besseren Abstimmung mit anderen Bundesländern ist ein intensiver Austausch zum Tiergesundheitsmonitoring und ein Harmonisierungsprozess unerlässlich.
- Zusammenführung der Daten aus Tierkörperbeseitigungsanlagen, Lebensmittel- und Tierschutzkontrollen, zu Tierarzneimittelgaben, Mortalitätsraten und Leistungsdaten in einer zentralen Datenbank und Nutzbarmachung der Daten von Problembetrieben für die behördliche Arbeit
- Nutzbarmachung der Daten in anonymisierter Form für die systematische Auswertung in der Forschung, um Tierschutzindikatoren gezielt zu verbessern
- Austauschprozess mit den Regierungen anderer Bundesländer, um langfristig die Harmonisierung der Tiergesundheitsdatenbanken mit anderen Ländern zu erreichen
- Fortbildungen für Veterinär*innen unter Einbindung des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, des StMELF, des StMUV und der BAG für Fleischhygiene und Tierschutz, um einen Gleichklang bei der Erfassung tierschutzrelevanter Bestände zu ermöglichen
6. Antibiotikaeinsatz
Antibiotika sind eine wichtige und oft überlebenswichtige Waffe gegen bakterielle Erkrankungen bei Tieren und Menschen. Sie nur bei Bedarf und sachgemäß zu verwenden, ist die Voraussetzung, um ihre Wirksamkeit möglichst lange zu erhalten. Umso erschreckender ist der hohe und ungezielte Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung. Die Antibiotikaabgabemenge an Tierärzt*innen lag im Jahr 2016 bei 742 t, die in der Humanmedizin bei 666 t. Somit überstieg der Antibiotikaeinsatz der Tierhaltung jenen der Humanmedizin. Die hohe Verwendung von Antibiotika führt zur selektiven Entwicklung antibiotikaresistenter Erreger wie MRSA. An deren Folgen sterben derzeit jährlich etwa 33.000 Menschen in der EU.
In der Landwirtschaft führt die Haltung von sehr vielen Tieren auf engstem Raum zu einem hohen Krankheitsdruck. Erkrankt eines der Tiere, so ist schnell die ganze Gruppe betroffen. Dann wird nicht mehr versucht, nur einzelne erkrankte Tiere zu behandeln, sondern die ganze Gruppe erhält vorsorglich Antibiotika – in einem Geflügelstall können das mehrere zehntausend Tiere sein. Tiere in der intensiven Landwirtschaft, welche auf sehr hohe Leistung gezüchtet wurden, sind oft sensibel und besonders anfällig für Krankheiten. Intensive Haltungsbedingungen ohne Außenklima und ohne Funktionsbereiche können zu einer Schwächung des Immunsystems beitragen. Und mit einer häufigen Durchmischung der Tiere, beispielsweise weil Aufzucht und Mast in unterschiedlichen Betrieben stattfinden, kommt es zu einer stärkeren Verteilung von Erregern. All diese Faktoren, zusammen mit einer fehlenden konsequenten politischen Strategie für die Reduktion, führen zu einem gefährlich hohen und unsachgemäßen Einsatz wichtiger Antibiotika. In der Folge konnte die NGO Germanwatch im Jahr 2020 auf über der Hälfte von in Discountern gekauften Geflügelstücken antibiotikaresistente Erreger nachweisen.
Wir Grüne fordern eine politische Strategie für eine deutliche Reduktion von Antibiotika in der Tierhaltung. Andere europäische Länder haben dies bereits erreicht. Darüber hinaus muss der Einsatz von Reserveantibiotika in der Tierhaltung untersagt werden – um dies in Einklang mit dem Tierwohl durchzuführen, sind die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Durch Vorsorgemaßnahmen wie eine extensivere Haltung, den Einsatz robusterer Rassen und selteneres Umstallen der Tiere in andere Betriebe kann der Krankheitsdruck in der Tierhaltung nachhaltig gesenkt werden. In der Öko-Landwirtschaft ist beispielsweise nur eine Antibiotikagabe bei Mastgeflügel und Mastschweinen erlaubt. In der Folge sind antibiotikaresistente Erreger auf biologisch erzeugtem Hähnchenfleisch die absolute Ausnahme.
- Erarbeitung einer politischen Strategie für eine deutliche und nachhaltige Reduktion der Antibiotikaverwendung in der Tierhaltung gemessen sowohl an der verabreichten Menge als auch an der Zahl der behandelten Tiere
- Trennung von Antibiotikaverschreibung und deren Verkauf
- Verbot des Einsatzes von Antibiotika mit herausragender Bedeutung für die Humanmedizin (Reserveantibiotika) in der Tierhaltung
- Förderung tiergerechter Haltungssysteme mit extensiverer Tierhaltung, wenig Umstallen, mehr Platz, geringeren Bestandsgrößen und robusteren Rassen, wie in der Öko-Landwirtschaft, denn je tiergerechter Haltung und Fütterung sind, umso geringer ist der Bedarf an Medikamenten
7. Tierschutzkonforme Betäubung: Alternativen zu CO2 und Sachkunde beim Schlachten
Über 3,5 Millionen Schweine werden jährlich in Bayern geschlachtet. Die Betäubung mit CO2 Gas ist dabei besonders in größeren Schlachtbetrieben Standard. Im Schlachtprozess zeigen sich immer wieder mangelhaft betäubte Tiere, die nachbetäubt werden müssen oder die bei Bewusstsein ausbluten. Wir sehen darin ein enormes Tierschutzproblem des industriellen Schlachtvorgangs. Hinsichtlich der CO2-Betäubung reagieren viele Schweine bis zum Eintreten der Bewusstlosigkeit mit Unruhe und Fluchtversuchen. Ergebnisse von Versuchen am Max-Rubner-Institut zeigen, dass mit alternativen Gasen wie Helium eine tierschonendere Betäubung als mit CO2 möglich ist. Die ermittelten Tierschutz-Parameter verdeutlichen, dass im Vergleich zu den mit CO2 betäubten Schweinen die mit Helium betäubten Schweine weniger Stress ausgesetzt sind. Aufgrund verschiedener Herausforderungen in der Praxis mit alternativen Gasen wie Helium müssen Forschungsansätze der Kombination von CO2 und Helium deshalb dringend weiterverfolgt und praxisnah getestet werden. Tierschonende Verfahren, die eine möglichst schnelle, sichere, stressfreie und schmerzlose Betäubung beim Tier ermöglichen, sind jederzeit zu bevorzugen, zu unterstützen und in der Praxis einzusetzen.
In kleineren Schlachtbetrieben werden Schweine, Schafe und Ziegen elektrisch betäubt. Bei der Elektrobetäubung ist die Sachkunde der Anwender*innen primär ausschlaggebend für eine tierschutzkonforme, sichere Betäubung und den Bewusstseinsverlust der Schlachttiere. Bisher ist für die Schlachtung zwar ein Sachkundenachweis erforderlich, dieser ist aber unbegrenzt gültig und mit keinerlei Fortbildungspflichten verbunden. Um den Tierschutz bei der Schlachtung zu verbessern, muss auch bei der Sachkunde des Personals angesetzt werden.
Im Sinne des Tierschutzes stellt die Schlachtung im Haltungsbetrieb oder auf der Weide die beste Alternative dar. Denn auf diese Weise können Tiere in ihrer gewohnten Umgebung geschlachtet werden, ohne stressige Verladung und Transport und ohne die Konfrontation mit einem Schlachthof. Dies ist unter Auflagen bei Rindern und Schweinen bereits möglich und kommt dem Tierschutz, der Fleischqualität und auch der regionalen Wertschöpfung zugute.
- Förderung der Forschung zu tierschonenden Betäubungsverfahren bei der Schlachtung, um diese weiter voranzutreiben
- Staatliche Förderung der Erprobung tierschonender Betäubungsverfahren in der Praxis
- Regelmäßige Fortbildungen für das Schlachtpersonal
- Regelmäßige Überprüfung der Betäubungsanlagen durch eine unabhängige Stelle
8. Problematik Qualzucht: Zuchtziele überdenken
Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind solche Tiere attraktiv, die viele Nachkommen bekommen und in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Fleisch ansetzen, viel Milch oder viele Eier liefern. Diese Zuchtziele werden seit Jahrzehnten verfolgt. Die Zucht hat zum einen zu extrem hohen Leistungen geführt, die den Stoffwechsel der Tiere überfordern oder durch schnelles Wachstum zu Knochenschäden führen. Zum Beispiel wachsen Mastputen und Masthähnchen teilweise so schnell, dass der Bewegungsapparat und das Herz-Kreislauf-System mit dem schnellen Muskelzuwachs nicht mithalten können. Es kommt zu Euterentzündungen bei Milchkühen, die genetisch so viel Milch geben, dass der Körper völlig ausgelaugt wird. Hier wird die Grenze zur Qualzucht teilweise überschritten, welche nach §11 b Tierschutzgesetz eigentlich verboten ist, in der Praxis allerdings nur sehr schwer unterbunden werden kann.
Die Zuchtziele haben außerdem dazu geführt, dass es zum Beispiel bei Rindern und Geflügel eine Zweiteilung in Mastlinien und Milch- beziehungsweise Legelinien gab. So kommt es zu dem Problem, dass männliche Tiere plötzlich nicht mehr wirtschaftlich und quasi überflüssig sind und getötet oder schlecht versorgt werden. Es sind Zuchtprogramme notwendig, die diese Fehlentwicklung überwinden. Zweinutzungsrassen, die sowohl Fleisch ansetzen als auch Milch oder Eier in normalem Umfang liefern, müssen die Lösung sein, wie beispielsweise Zweinutzungshühner. Bei Zweinutzungsrassen treten viele der genannten Probleme von ganz alleine nicht auf: Sie sind weniger stark überzüchtet, die Tiere leiden nicht unter den ihnen angezüchteten Höchstleistungen, können länger und gesünder leben. Sowohl männlichen als auch weiblichen Tieren kommt ein Wert zu, den sie verdienen.
- Förderung von Zuchtprogrammen mit nachhaltigen, tierschutzkonformen Zuchtzielen
- Förderung von Zweinutzungsrassen
- Staatliche Förderung der Zuchtverbände überdenken und von der Ausrichtung der Zucht auf physische und psychische Gesundheit abhängig machen
- Konkretisierung des Qualzuchtparagrafen §11 b TierSchG und Aktualisierung des Qualzuchtgutachtens von 1999 sowie Erweiterung hinsichtlich der Tierarten
9. Schweineställe tiergerecht genehmigen
Die Zukunft der Schweinehaltung muss sich maßgeblich im Sinne des Tierwohles verändern. Derzeit werden Schweine in der konventionellen Haltung standardmäßig auf nicht eingestreutem Spaltenboden gehalten. Diese Haltungsform führt bereits bei Ferkeln zu Klauenverletzungen und das Liegen auf hartem Betonboden führt zu Gelenk- und Schleimbeutelentzündungen. Auf Vollspaltenböden ist keine tiergerechte Haltung möglich. Der Neubau von Stallsystemen, die diese Leiden bei Schweinen erzeugen, darf in Zukunft nicht mehr genehmigungsfähig sein. Ställe sind langfristige Investitionen, sie werden in der Regel über 20 Jahre abgeschrieben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Anforderungen an die Tierhaltung in diesem Zeitraum verändern werden. Darauf muss sich die Genehmigungspraxis einrichten und darauf achten, dass nur flexible Stallarchitektur diese Veränderungen mitmachen kann.
- Engagement auf Bundesebene, damit Schweineställe mit reinen Vollspaltenböden nicht mehr genehmigungsfähig sind
- Strukturierung der Buchten in Funktionsbereiche gesetzlich verankern
- Erleichterung von Genehmigungsverfahren beim Stallumbau hin zu mehr Tierwohl auf Bundesebene
- Flexible Stallarchitektur, Umbau- und Umgestaltungsfähigkeit als Voraussetzungen für Neubauten von Schweineställen etablieren
- Berücksichtigung des Tierschutzes bei Veränderungen der Bauvorschriften wie TA-Luft oder BImSchG neben den Zielgrößen Klima- und Umweltschutz
10. Tierschutzleitlinien für die in der TierSchNutzV „vergessenen“ Tierarten
Die im Tierschutzgesetz festgeschriebenen Anforderungen an die Unterbringung von Schweinen, Legehennen und Kälbern sind in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutzV) detailliert festgelegt. Für eine Reihe anderer Tiere und Tierarten, wie erwachsene Rinder (Mastrinder und Milchkühe), Puten, Junghennen, Gänse oder Enten fehlen diese gesetzlichen Regelungen bisher. Somit sind tierschutzfachliche Anforderungen an den Platzbedarf oder die Beschaffenheit der Haltungseinrichtung nicht festgeschrieben.
Niedersachsen entwickelte aus diesem Grund als erstes Bundesland tierschutzfachliche Leitlinien für die Milchkuh- und Mastrinderhaltung, um diese Lücke zu füllen. Diese bieten eine Hilfestellung für Behörden und Tierhalter*innen bei der Beurteilung von Neu- und Umbauten sowie von bestehenden Rinderhaltungen. Wir halten es für dringend notwendig, tierschutzrechtliche Vorgaben für die Rinder-, Puten-, Junghennen- und Wassergeflügelhaltung auch in Bayern zu definieren, da diese auf Bundesebene bis auf Weiteres fehlen.
- Erarbeitung tierschutzfachlicher Leitlinien für die in der TierSchNutzV „vergessenen Tierarten“
- Engagement auf Bundesebene für eine Erweiterung der TierSchNutzV um die Anforderungen bisher nicht berücksichtigter Tierarten
11. Tiertransporte in Drittstaaten
Aus der EU werden hauptsächlich Rinder und Schafe in Drittstaaten wie Libyen, Usbekistan oder die Türkei exportiert. 2016 wurden beispielsweise etwa 2 Mio. Rinder und Schafe in die Türkei, Nordafrika und den Nahen Osten exportiert. Bei Transport, Verladen und Schlachtung dieser Tiere werden von Journalist*innen und Tierschutzorganisationen regelmäßig erhebliche Vergehen gegen den Tierschutz dokumentiert. Viele dieser Transporte sind ein Martyrium für die Tiere, die oft tagelang in engen LKW-Anhängern eingesperrt sind, unter Hitze und Durst leiden, in den eigenen Fäkalien stehen und liegen müssen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen werden nicht eingehalten, Tiere verenden durch Stress, Zertrampeln oder Erschöpfung. Transporte finden entgegen der gesetzlichen Vorschriften auch dann statt, wenn die Tiere Temperaturen über 30°C oder unter 5°C ausgesetzt sind. In den Zielländern werden tierschutzwidrige Schlachtpraktiken durchgeführt, wie die betäubungslose Schlachtung, das Ausstechen von Augen oder Durchtrennen von Beinsehnen bei vollem Bewusstsein der Tiere. Der direkte Export von Rindern aus Bayern in 17 Drittstaaten ist seit März 2019 nicht oder nur unter strengen Auflagen möglich, da erhebliche Zweifel an der Einhaltung tierschutzrechtlicher Bestimmungen bestehen. Trotzdem werden Tiere über Umwege über andere Bundesländer und andere EU-Länder dorthin exportiert.
Oft sind Rinder für den Export als „Zuchttiere“ deklariert. Rassen, die an das Klima in Mittel- und Nordeuropa angepasst sind, kommen aber mit dem warmen Klima südlicher Länder nicht zurecht. Sie geben wenig Milch und die Fruchtbarkeit ist gestört. Außerdem ist in südlichen Regionen oft nicht die hohe Wasserversorgung und Energiezufuhr über hochwertiges Futter mit entsprechender Energiedichte gewährleistet. Weiterhin ist ein gewisses Herden- und Zuchtmanagement für den Aufbau einer Milchproduktion notwendig. Auch dieses konnte in den vergangenen Jahren in keinem der Länder, in das sogenannte europäische „Zuchtrinder“ exportiert werden, beobachtet werden. Es ist offensichtlich, dass es sich bei den Rinderexporten entgegen der Aussagen von Branchenvertreter*innen bis auf wenige Ausnahmen um Schlachttiertransporte handelt und nicht um Zuchttiertransporte.
Es wird generell deutlich, dass lange Tiertransporte erhebliche Anforderungen an die Infrastruktur auf der Strecke, die Reiseplanung und die Fahrer*innen der Transporte stellen, was in der Praxis bei Langstreckentransporten sehr oft nicht gelingt. Aus Umweltschutz- und Tierschutzgründen sind wir GRÜNE der Meinung, ein Schlachttiertransport muss am nächstgelegenen Schlachthof enden und muss so kurz wie möglich gehalten werden. Der Export von genetisch völlig ungeeigneten Zuchttieren in heiße Länder ist Tierquälerei. Wenn, dann sollte das Zuchtmanagement mit dem Versand von Sperma oder Embryonen sowie lokalen Rassen entsprechend den Standortvoraussetzungen vorangetrieben werden. Den Export von Tieren in Länder mit deutlich anderen Wertvorstellungen betreffend den Tierschutz lehnen wir ebenfalls entschieden ab.
- Sofortiger Stopp der Exporte von Zucht- und Schlachttieren in alle Drittstaaten, in denen Tierschutzgesetze und deren Einhaltung hinter europäischen Standards zurückbleiben
- Einsatz für ein europaweit einheitliches Vorgehen, da Exporte noch immer über andere EU-Staaten wie Ungarn oder die Slowakei abgewickelt werden
- Kein Export landwirtschaftlicher Nutztiere in Länder, deren Klima und Haltungsstandards in starker Diskrepanz zu den genetischen Anforderungen der Tiere steht
- Beschränkung von Schlachttiertransporten innerhalb der EU auf 4 Stunden
12. Zukunftsplan Tierhaltung und Beratungsoffensive für Tierhalter*innen
Druck durch den Wettbewerb auf dem Weltmarkt, zunehmender Akzeptanzverlust im Inland, notwendige strengere Umweltstandards und das Hinauszögern klarer politischer Reformen nehmen den Tierhalter*innen jegliche Planungssicherheit. Dabei ist klar: Die Tierhaltung braucht klare Rahmenbedingungen, um sich deutlich zu verbessern und um den Werten einer modernen Gesellschaft gerecht zu werden, in der Tiere respektvoll behandelt werden. Wir GRÜNE fordern deshalb, dass Bayern endlich ein verbindliches Zielbild entwirft, wie eine tier- und umweltgerechte Landwirtschaft der Zukunft aussieht sowie einen Plan vorstellt, wie dieses Zielbild erreicht werden soll. Dieses Zielbild muss ausgerichtet sein an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Tierverhalten und Kernpunkte beinhalten wie ein wesentlich höheres Platzangebot, die Strukturierung der Haltungseinrichtung, Beschäftigungsmaterial, die Abkehr vom Vollspaltenboden in der Schweine- und Rinderhaltung, ein Ende nicht-kurativer Eingriffe und die Überarbeitung der Zuchtziele hin zu mehr Tierwohl. Ein klarer Zeit- und Maßnahmenplan ergänzt das Zielbild, die landwirtschaftliche Beratung sowie Fördermaßnahmen unterstützen die Umsetzung in der Praxis.
- Entwerfen eines Zielbildes für die bayerische Tierhaltung
- Erarbeiten eines Fahrplans, in welcher zeitlichen Spanne dieses Zielbild erreicht werden soll
- Ausrichtung der Fachberatung auf dieses Zielbild
- Förderprogramme für den Stallumbau und die Vermarktung, um dieses Zielbild zu erreichen
13. Tierschutz voranbringen – endlich eine Tierschutzbeauftragte oder einen Tierschutzbeauftragten für Bayern einführen!
Um den Tierschutz in Bayern voranzubringen, soll nach den erfolgreichen Beispielen aus mittlerweile sieben anderen Bundesländern die Stelle eines/einer Landestierschutzbeauftragten eingerichtet werden. Derzeit existiert in Bayern keine zentrale Stelle, bei der Belange des Tierschutzes zusammenlaufen. Die oft fachübergreifenden Themen werden an unterschiedlichen Stellen bearbeitet, wie verschiedenen Ministerien, den Veterinärbehörden und Universitäten. Sie betreffen die Landwirtschaft, die Industrie, Verbraucherschutzorganisationen und Interessensverbände. Der derzeitige, ehrenamtliche Tierschutzbeirat wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen und ist kein schlagkräftiges Gremium, um die gesamtgesellschaftliche Aufgabe Tierschutz in Bayern zu bearbeiten. Um Tierwohl, Tiergesundheit und den Tierschutz in Bayern im Einklang der verschiedenen Interessen sinnvoll weiterzuentwickeln, um umfassende Beratung anbieten zu können und auch bei konkreten Anlässen angemessen agieren zu können, müssen die Kompetenzen an einer Stelle gebündelt werden.
Diese Funktion erfüllt ein*e Landestierschutzbeauftragte*r. Diese*r ist fachlich und politisch unabhängig und nicht Ministerien oder anderen Behörden unterstellt. Die Stelle ist eine selbständige Organisationseinheit außerhalb der Abteilungsstruktur des zuständigen Staatsministeriums. Diese fachlich gut ausgebildete Person fungiert als zentrale*r und kompetente*r Ansprechpartner*in für alle Tierschutzbelange in Bayern. Als Bindeglied zwischen Landwirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik vermittelt sie zwischen Parteien mit unterschiedlichen Interessen und steht Politik, Behörden und Verbänden beratend zur Seite. Sie kümmert sich um grundsätzliche Verbesserungen des Tierwohls, um politische Weichenstellungen und identifiziert Problem- und Konfliktfelder bei aktuellen Tierschutzthemen.
- Endlich eine*n Tierschutzbeauftragte*n für Bayern!
14. Vermarktung: Staatliche Tierwohlkriterien in das Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“ einbinden
Das Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“ (GQ-Bayern), welches vom Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) verwaltet wird, soll den Verbraucher*innen Qualität und Herkunft bayerischer Produkte garantieren. Bei tierischen Produkten werden durch die bisher geltenden Kriterien aber lediglich die Herkunft der Tiere und des Futters sichergestellt, die Haltung der Tiere wird bei der Vergabe des Siegels kaum berücksichtigt. Für die Käufer*innen der Produkte wird durch die Bezeichnung „Geprüfte Qualität“ aber auch eine qualitativ bessere Haltung suggeriert. Hier gilt es, von staatlicher Seite endlich mehr Transparenz zu schaffen. Mit der verpflichtenden Einbindung der Kriterien des Tierwohlkennzeichens des Bundes der Stufe 2 und höher bei der Zertifizierung der GQ-Bayern Produkte kann dies gelingen. Die Kriterien des staatlichen Tierwohlkennzeichens sind mit Unterstützung von Vertreter*innen aus Wissenschaft, Branchenverbänden sowie Tierschutz- und Verbraucherschutzverbänden für Schweine detailliert ausgearbeitet worden. Im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard bedeutet Stufe 2 des Siegels für die Tiere unter Anderem durchschnittlich 47% mehr Platz, strukturierte Buchten mit verschiedenen Funktionsbereichen, Verzicht auf das Kupieren von Schwänzen und kürzere Transportzeiten zum Schlachtbetrieb. Somit also eine deutliche Verbesserung zur derzeitigen Situation und eine Möglichkeit, um neue Absatzwege für Produkte mit höheren Tierhaltungsstandards für bayerische Landwirt*innen zu schaffen. Die Staatsregierung hat hier die Chance, durch ein eigenes Label und eine eigene Zertifizierung der Produkte ein starkes Zeichen zu setzen und einen Schritt hin zur Tierwohl-gerechteren Lebensmittelproduktion in Bayern zu gehen. Auch für andere Tierarten müssen höhere Qualitätskriterien hinsichtlich des Tierschutzes ausgearbeitet werden, diese sind ebenfalls als Voraussetzung für die Vergabe des Siegels zu implementieren.
- Einführung von staatlichen Tierwohlkriterien als Anforderungen für das Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“
15. Herkunftskennzeichnung – ein Mehrwert für bayerische Landwirt*innen und Verbraucher*innen
Produktionsstandards, Arbeits- und Umweltschutz oder Tierwohl sind in der EU oft höher als in Drittstaaten. Trotzdem sind viele Lebensmittel aus Drittstaaten wegen fehlender Herkunftskennzeichnung nicht von denen aus EU-Ländern zu unterscheiden. Denn derzeit ist nur für wenige Lebensmittel wie unverarbeitetes Obst, Gemüse, Fleisch oder Bioprodukte eine Herkunftskennzeichnung erforderlich. Für konventionelle, verarbeitete Produkte sind grundsätzlich keine Angaben zum Herkunftsland vorgeschrieben. So entstehen auch für bayerische Landwirt*innen, die sich an höhere Produktionsstandards halten, Nachteile gegenüber Wettbewerber*innen aus dem Ausland. Auch für Verbraucher*innen ist das eine sehr intransparente Situation. Abhilfe kann nur eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln schaffen. Erfahrungen dazu gibt es zum einen im Ökobereich. Dort besteht eine Kennzeichnungspflicht, die zumindest Produkte aus EU- oder Nicht-EU-Landwirtschaft erkennbar und unterscheidbar macht. Bei der Angabe sind grundsätzlich alle Zutaten zu berücksichtigen, die mindestens zwei Prozent des Produkts ausmachen. Zum anderen bestehen Erfahrungen zur Herkunftskennzeichnung in Frankreich und Italien, wo seit einigen Jahren zum Beispiel die Herkunftskennzeichnung von Milchprodukten verpflichtend ist. Bayern sollte sich dafür einsetzen, eine entsprechende Kennzeichnung auch in Deutschland im Sinne der Verbraucher*innen und Landwirt*innen einzuführen.
- Engagement auf allen politischen Ebenen für eine umfangreichere Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln
- Verpflichtende Herkunftsangabe bei
- Milch und Milchprodukten,
- Fleisch und verarbeiteten Fleischprodukten
- Eiern und Produkten, welche verarbeitetes Ei enthalten
- Produkten mit Herkünften aus verschiedenen Ländern wenigstens Unterscheidung zwischen der Herkunft „EU-Landwirtschaft“/„Nicht-EU-Landwirtschaft“/ „ EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft“
- sukzessive Ausweitung dieser Kennzeichnungspflicht auf weitere landwirtschaftliche Erzeugnisse
IV. Die Transformation der landwirtschaftlichen Tierhaltung: Fachgremien positionieren sich zum Tierwohl
In den vergangenen Jahren haben sich verschiedene Fachgremien auf Bundesebene mit der Frage der Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Tierhaltung hin zu mehr Tierwohl auseinandergesetzt.
- Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (WBA) hat im Jahr 2015 in einem Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ aufgezeigt. In dem Gutachten wird die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen in der Tierhaltung dargelegt, um der geänderten gesellschaftlichen Mensch-Tier-Beziehung sowie Umwelt- und Klimaschäden in Zusammenhang mit der tierischen Produktion zu begegnen. Der WBA beschreibt die derzeitigen Haltungsbedingungen eines Großteils der Nutztiere als nicht zukunftsfähig, da sie das artgemäße Verhalten zu stark einschränken. Er spricht sich für eine tiergerechtere und umweltfreundlichere Produktion bei gleichzeitiger Reduktion der Konsummenge tierischer Produkte aus. Die durch diese Maßnahmen entstehenden Mehrkosten auf Seiten der Produzierenden müssten durch eine Finanzierungsstrategie mit staatlichen sowie privatwirtschaftlichen Kompensationszahlungen entlohnt werden, um eine Abwanderung der Produktion ins Ausland zu verhindern. Der WBA betont, dass eine Weiterentwicklung der Tierhaltung entsprechend geänderter gesellschaftlicher Ansprüche tiefgreifende Änderungen in der Nutztierhaltung erfordert. Diese seien für die Erreichung einer gesellschaftlich stärker akzeptierten Tierhaltung unerlässlich und könnten nur mit großen Anstrengungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden.
- Der Deutsche Ethikrat ist ein unabhängiger Sachverständigenrat, welcher Stellungnahmen zu ethischen Fragestellungen als Orientierung für die Gesellschaft und die Politik verfasst. Im Jahr 2020 hat der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme mit dem Titel „Tierwohlachtung – Zum verantwortlichen Umgang mit Nutztieren“ herausgegeben. Der Ethikrat betont darin eine weitreichende Verpflichtung des Menschen für das Wohlergehen der Nutztiere: Das Leben von Nutztieren sollte, solange es dauert, ein für das Tier möglichst gutes, den artspezifischen Verhaltensformen und Erlebnismöglichkeiten entsprechendes Leben sein. Besondere Relevanz käme nicht allein der Verhütung von negativen Erfahrungen zu, sondern vielmehr auch dem Wohlergehen der Tiere.
Praktische Schwierigkeiten, Schmerzen und Leid zu messen, dürften nicht einseitig zulasten der Tiere fallen. Wirtschaftliche Anreize reichten nicht aus, um die Unvermeidbarkeit Tieren Schmerzen und Leiden zuzufügen, zu begründen. Der Ethikrat lehnt Verstümmelungen (Enthornung von Rindern, Schnabelkürzen bei Geflügel), die allein zu dem Zweck erfolgen, mehr Tiere auf engem Raum halten zu können, ab. Weiterhin abgelehnt wird räumliche Enge, welche Gesundheit und artgerechtes (Sozial-)Verhalten beeinträchtigt, funktionale Umgebungsbedingungen, die zu Stress und Gesundheitsschäden führen (Dauerbeleuchtung in Geflügelzuchthallen, Spaltböden in Kuhställen, enge Käfige für Muttersauen) sowie für die Trennung von Mutter- und Jungtieren direkt nach der Geburt. Der Ethikrat übt somit grundlegende Kritik an einer Reihe von standardmäßigen Praktiken der landwirtschaftlichen Tierhaltung.
Um die Tierhaltung entsprechend der ethischen Leitlinien weiterzuentwickeln, schlägt der Ethikrat einen strukturierten Transformationsprozess vor, mit klar definierten Zwischenzielen. Die dadurch entstehenden Kosten sind durch die Allgemeinheit durch Unterstützungsleistungen zu kompensieren – beispielsweise über eine mengenbezogene Verbrauchssteuer. Sie dürfen nicht einseitig den Landwirt*innen auferlegt werden. Für Verbraucher*innen sollten Herkunft und Herstellungsbedingungen tierischer Produkte nicht nur bei „Rohzutaten“, sondern auch bei verarbeiteten Produkten sowie in Mensen und Kantinen klar erkennbar sein.
Der Ethikrat betont, dass eine ethisch vertretbare Nutztierhaltung in erster Linie eine Frage verantwortlicher Regulierung ist. Effektive Kontrollmechanismen sind hierfür sicherzustellen, diese beinhalten eine verbesserte Sachkunde der Tierhalter- und Betreuer*innen, eine verbesserte betriebliche Eigenkontrolle und eine stärkere Rolle der Amtstierärztinnen und -ärzte. Der Ethikrat bemängelt darüber hinaus die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für den Tierschutz, da sich auf diese Weise erhebliche Zielkonflikte ergeben, unter welchen die Durchsetzung von Tierschutzbelangen leiden kann. - Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung unter der Leitung von Jochen Borchert (Borchert Kommission) war ein Beratungsgremium des BMEL, welches das Ministerium zur Weiterentwicklung der deutschen Tierhaltung beraten sollte. Es war besetzt mit Entscheidungsträgern und Fachleuten aus Politik, Wissenschaft, Praxis, Wirtschaft und Verbänden. Im Empfehlungsschreiben des Kompetenznetzwerks vom 11. Februar 2020 werden Probleme der deutschen Nutztierhaltung benannt, ein Maßnahmenpaket und Finanzierungskonzept zum Umbau der Nutztierhaltung vorgestellt, sowie ein Zeitplan für die Umsetzung aufgestellt. In seinem Empfehlungsschreiben rät das Kompetenznetzwerk die Einführung eines umfassenden Tierwohllabels für das Jahr 2021, die Einführung eines EU-Tierwohllabels für das Jahr 2025, eine Anhebung des gesetzlichen Mindeststandards in der Tierhaltung im Jahr 2030 (Stufe 1 Tierwohllabel) sowie die vollständige Überführung der Tierhaltung in Stufe 2 des Tierwohllabels für das Jahr 2040, wobei auch in der höchsten Stufe 3 ein hinreichend großer Marktanteil erreicht werden soll. Tierhalter*innen sollten zum Umbau ihrer Ställe und zur Umsetzung besserer Haltungsbedingungen durch die Kompensation von Investitions- und laufenden Kosten veranlasst werden.
Da die anfallenden Kosten von 3-5 Mrd. € jährlich nicht durch marktbasierte Maßnahmen realisiert werden können, empfiehlt das Kompetenznetzwerk, die staatliche Förderpolitik zielorientiert auszubauen und auf diese Weise sowohl Investitionskosten als auch laufende Kosten höherer Tierhaltungsstandards zu kompensieren. Daher soll eine mengenbezogene Verbrauchssteuer (40 ct pro kg Fleisch, 2 ct pro kg Milch und Ei, 15 ct pro kg Käse und Butter) auf tierische Produkte eingeführt werden. Durch eine Abgabe dieser Größenordnung entstünden durchschnittlichen Verbraucher*innen Mehrkosten von etwa 5 € monatlich. Diese Finanzierungsstrategie solle durch gesetzliche Verschärfungen und eine Weiterentwicklung des Ordnungsrechts flankiert werden. Anstatt punktueller Maßnahmen empfiehlt das Kompetenznetzwerk, auf diese Weise im gesamten Sektor und strukturell ein zukunftsfähiges Tierwohlniveau anzustreben. Die Vorschläge bilden einen bislang einmaligen Vorschlag zum Umbau der deutschen Tierhaltung, welcher in Zusammenarbeit verschiedener Interessensvertreter*innen entstanden ist.
Die drei genannten, unabhängigen Fachgremien haben die Debatte um die Weiterentwicklung der Tierhaltung in den letzten Jahren stark geprägt. Dabei ist hervorzuheben, dass alle drei die derzeitige Form der Tierhaltung in Deutschland als nicht zukunftsfähig beschreiben und wesentliche Verbesserungen in den Haltungsbedingungen für notwendig erachten. Diese Verbesserungen betreffen sowohl Maßnahmen, welche Nutztieren ein artgemäßes Verhalten ermöglichen, als auch deutliche Verbesserungen bei der Umsetzung des Tierschutzgesetzes sowie auf allen Ebenen der Kontrolle. Die Berichte der Fachgremien zeigen, dass sich die Tierhaltung weiterentwickeln muss, um in Deutschland zukunftsfähig zu sein. Auch wir GRÜNE halten Verbesserungen der Haltungsbedingungen und Kontrollen sowie Extensivierungsmaßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz für dringend notwendig. Wir GRÜNE wollen den beschriebenen Transformationsprozess vorantreiben und gestalten, die Arbeit der Fachgremien muss sich in der Weiterentwicklung der Tierhaltung widerspiegeln.
V. Fazit
Die Tierhaltung ist für die bayerische Landwirtschaft von sehr großer Bedeutung und bei weitem der wichtigste Betriebszweig. Etwa 75% aller Betriebe in Bayern halten Tiere und erzielen damit fast 70% der Verkaufserlöse der bayerischen Landwirtschaft. Die Weidehaltung von Rindern gehört zur typischen bayerischen Kulturlandschaft. In der Rinderhaltung dominieren noch Zweinutzungsrassen wie das Fleckvieh. Auch für uns GRÜNE gehört die Tierhaltung in Bayern zur Landwirtschaft und wir wollen sie erhalten. Sie muss Tieren allerdings ermöglichen, ihre arteigenen Bedürfnisse auszuüben, mit Artgenossen stressfrei in arttypischen Gruppen und frei von Schmerzen und Leiden zu leben.
Wir wollen viele, modern und divers strukturierte, bäuerlich wirtschaftende Höfe in Bayern, die eine ausreichende Unabhängigkeit vom Weltmarkt haben, um Krisen durchzustehen. Dafür existieren in Bayern die optimalen Voraussetzungen. Denn im Vergleich zu anderen Bundesländern existieren viele kleinere und noch relativ vielseitig strukturierte Betriebe. Wir glauben, dass es auch für die Erzeuger*innen positiv ist, einen größtmöglichen Teil der Wertschöpfungskette in der Hand zu haben. Daher wollen wir Wertschöpfungsketten stärker regional ausrichten, damit die Wertschöpfung den Menschen der Region zugutekommt.
Ohne öffentliche Förderungen wird der Wandel zu mehr Tier- und Umweltschutz zu langsam voranschreiten. Deshalb müssen Maßnahmen, welche der Verbesserung des Tierwohls dienen, gefördert werden können, so dass Landwirt*innen eine Kompensation von Kostensteigerungen und Mindererlösen des laufenden Betriebs ermöglicht wird. Auch Investitionen in Neu- und Umbauten von Ställen, welche der Verbesserung des Tierwohls dienen, müssen staatlich unterstützt werden. Dabei gilt es, die in der ökologischen Tierhaltung bereits umgesetzten Maßnahmen zu entlohnen, als auch Verbesserungen in der konventionellen Tierhaltung gezielt zu fördern. Darüber hinaus unterstützen wir das Konzept und die Maßnahmen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, welche unter der Leitung von Jochen Borchert für den Umbau der deutschen Tierhaltung vorgelegt wurden. Über den Erlös einer Verbrauchssteuer sollen Investitionskosten und laufende Mehrkosten von tiergerechten Haltungssystemen kompensiert werden, um Landwirt*innen langfristig Planungssicherheit zu gewährleisten. Hierbei soll der gesetzliche Mindeststandard in den kommenden Jahren und Jahrzehnten so weit angehoben werden, dass eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung erreicht wird, welche nicht im Konflikt zum geltenden Ordnungsrecht steht. Dies geht einher mit einem Paradigmenwechsel der inländischen Erzeugung weg von der Mengen- und hin zu Qualitätsorientierung. Nicht zuletzt müssen in Bayern umgehend kluge Absatzprogramme für regionale und ökologisch erzeugte Produkte entwickelt bzw. mengenmäßig ausgeweitet werden. Den Absatz ökologischer und regionaler Lebensmittel in öffentlichen Kantinen und Mensen zu stärken, ist ein unerlässlicher erster Schritt, hier hat der Staat eine Vorbildfunktion inne, die bislang nicht erfüllt wird. Für uns GRÜNE spielt dabei die ökologische Landwirtschaft eine besondere Rolle, denn sie betrachtet natürliche Kreisläufe ganzheitlich und vereint Tierschutz, Umweltschutz und Verbraucherschutz, weshalb wir uns für ihre Förderung besonders stark machen.
Wir GRÜNE wollen für Bayerns Zukunft eine bessere landwirtschaftliche Tierhaltung, denn die Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel produzieren und konsumieren, ist eine der zentralen ökologischen, sozialen und ethischen Fragen unserer Zeit.
Ja , genau!!! es wird Zeit dem ekelhaften treiben der tier-grossindustrie, ein ENDE zu setzen.